„The Juliet Duet“ von und mit Erna Ómarsdóttir und Halla Ólafsdóttir 

Haifisch und Harnwegsinfekt

„The Juliet Duet“, eine Uraufführung von Erna Ómarsdóttir und Halla Ólafsdóttir

Das Duett in der Residenz des Schauspiel Leipzig, stellt Julia und ihr Frausein in den Fokus, aber vielleicht auch nur die beiden Protagonistinnen.

Leipzig, 29/09/2022

Julia ist am Ende so tot wie Romeo. Doch Romeo taucht hier schon gar nicht mehr auf, dafür hat Julia sich gleich mal verdoppelt, wer braucht schon einen Mann fürs Glück. Und gestorben wird auch nicht. Erna Ómarsdóttir und Halla Ólafsdóttir tanzen „The Juliet Duet“ ganz ohne männliche Unterstützung auf der Bühne – außer der von Sergej Prokofjew, dessen Romeo-und-Julia-Musik hier und da durchschimmern darf. Der Einstieg der beiden Isländerinnen lässt dabei aber eher an Macbeth denn Liebestragödie denken. Wie zwei Furien oder eben Hexen im schwarzen T-Shirt, respektive Kleid huschen sie durch den Raum, reihen unkoordiniert Bewegungsmuster an Bewegungsmuster und zischeln dabei unverständliche Textzeilen. Von Duett zunächst keine Spur, bis sich beide nach sehr langer Zeit dann doch noch finden. Zusammen ist man weniger alleine und nach einem offenen Umzug ins weiße Nachthemd/Brautkleid/Kleid starten sie in den fröhlichen Teil des Abends voller Liebe, Leidenschaft und bumsfideler Erotik. Es wird gesungen, imposant gehechelt, gerannt, umarmt und geprügelt. Die Bewegungen der Anfangssequenz tauchen wieder auf, es sortiert sich ein wenig. „Love is in the air“, werfen sie dem konsternierten Publikum entgegen und selbst die von Júlíanna Lára Steingrímsdóttir mit grünen Vorhängen ausgestattete Bühne wird hinten aufgerissen, wo ein heller Vorhang nun die Gassenbühne abschließt.

Doch so einfach ist es nicht. Die dunkle Geschichte von Pyramus und Thisbe (oder Thisbe und Thisbe) wird erzählt mit der Liebe durch den Mauerspalt und dem Löwen, der erst die eine verletzt, was die Zweite in den Selbstmord treibt und dann die Erste hinterher. Halla Ólafsdóttir und Erna Ómarsdóttir tanzen. Auch Prokofjew kommt jetzt zu seinem Recht, höchste dramatische Musik, die eher parodistisch in die Körper übersetzt wird, bevor beide in den Break gehen und sich direkt ans Publikum wenden. Sie erzählen von den Proben, Ritualen auf Island, zu denen gegorener Haifisch gehört und enden bei der Problematik von Harnwegsinfekten. Denn sie sind ja nicht 14, sondern über 40. Ihr Thema ist Menopause, nicht Pubertät und mit dieser Ansage geht es ab in den zweiten Teil des Abends mit riesigen herzförmigen Latexkissen, in denen beide stecken und aus denen sie einen Männerkopf gebären, der in seiner Präsentation an Salome erinnert. Am Ende sacken beide glücklich zusammen. Licht aus und Applaus nach etwa 70 Minuten.

Was war das nun, was sich da abgespielt hat? Ein Abend voller Willen und voller Ideen, der aber so richtig nicht zu packen ist und auch nicht so richtig packt. Im Gegensatz zum Hai wirkte vieles unausgegoren und zu wenig pointiert. Dabei hat es einige schöne Bilder, die aber in dem unkonkreten dramaturgischen Timing untergehen, in diesem Strom der bewusst immer wieder und wiederkehrende Bewegungen. So geht auch die Emotion flöten, wenn jede Fallhöhe sofort zu nichts zermahlen wird. Die beiden Julias zerrinnen zwischen den Fingern, bleiben ungreifbar. Ein Abend wie eine unfertige Erinnerung.

„The Juliet Duet“ von und mit Erna Ómarsdóttir und Halla Ólafsdóttir 

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