„Kreisen“ von Anna Till: Ensemble

„Kreisen“ von Anna Till: Ensemble

Auf dem Karussell

Anna Till zeigt in der Residenz Leipzig ein tänzerisches Nachdenken über das „Kreisen“

„Kreisen“ ist eine Grundbewegung - gedanklich wie körperlich. Reicht das für einen gelungenen Tanzabend? Anna Till von situation productions hat es in der Residenz des Schauspiel Leipzig ausprobiert.

Leipzig, 26/05/2023

Schon beim Betreten des Saales wird das Thema klar. Tänzer Matthew Rogers lädt zum Ritt auf einem Kinderkarussell, wie es etwa auf Spielplätzen zu finden ist, und nimmt auch selbst Platz auf dem kreiselnden Rund. Woanders versteckt sich Gui Yuexuan in einem Tanzteppich, wirbelt Kátia Manjate langsam durch den Raum oder lässt Simone Gisela Weber ihr langes Haar tanzen, während die Besucher*innen durch den Raum der Residenz des Schauspiel Leipzig wandeln. Daria Belous liegt auf einem Bühnenteil und spricht Unverständliches während eine dreiköpfige Band unter der Leitung von Johannes Till einen leichten Synthi-Wave Sound über alles legt. Ein leichter, unbeschwerter Einstieg in diesen neuen Abend der Dresdner Choreografin Anna Till, die mit ihrer Company situation productions, hier zum Thema „Kreisen“ arbeiten will, eine Koproduktion vom Schauspiel Leipzig zusammen mit dem Festspielhaus Hellerau.

Nach knapp 20 Minuten begehbarer Tanzinstallation, während der sich die Protagonist*innen aus ihren Ausgangssettings gelöst haben und mit sich selbst ins Kreise(l)n gekommen sind , wird das Publikum auf die Plätze gebeten. Dominierten bisher die Bewegungen der Einzelnen, die sich drehten, die Hände um den Kopf tanzen ließen, hüpften, die Arme und Haare kreisen ließen, geht es jetzt in Gruppenformationen. Eine Hinführung hin zur Verdichtung, so scheint es.

Da steht zunächst die Parodie einer Line-Dance-Formation auf dem Programm – natürlich mit eingemeißelten Lächeln – und mit zusammengefassten Händen einen großen Kreis beschreibend. Simone Gisela Weber erzählt die Geschichte wie sie ihrer Schwester beim gemeinsamen Wirbeln den Kiefer gebrochen hat, alle fallen in ein Galoppstil und gegen Ende geht es wieder zum Karussell.

Es passiert noch so einiges mehr, aber so richtig den Groove kriegen die fünf Tänzer*innen nicht zu fassen. Es fehlt der Zug zum Risiko und Bedeutsamen, alles bleibt auf einer oberflächlichen, illustrierenden Ebene ohne jegliche Doppelbödigkeit. Das produziert zwar schöne Bilder und hübsche Situationen, wenn mit Tanzteppichen gerollt wird oder Kátia Manjate auf portugiesisch explosiv die Zuschauenden angeht, doch es fehlt der Moment, in dem das alles abhebt, um einen Raum zu öffnen, der mehr sein könnte als nur das Geschehen der Bühne. Sowohl tänzerisch als auch inhaltlich ist noch Luft nach oben. „Kreisen“ ist vor allem eine Kette von Ideen, die sich aber nicht zusammenfügen zu einem harmonischen oder widerspenstigen Ganzen. Vielleicht ist das Umkreisen der Leerstelle Konzept, doch es bleibt das Gefühl, das dies dann doch zu wenig ist.

Das gilt freilich nicht für die Band, die über den Abend einen satten und abwechslungsreichen Sound legt: Ob Industrial, elektronisch-ploppende Klangteppiche oder sogar Ausflüge ins Metal, Ludwig Bauer, Alexander Däßler und Johannes Till sind mit ihrem Synthie-Sound voll dabei. Doch wenn am Ende Matthew Rogers den Bonnie-Tyler-Song „Total Eclipse“, der mit seiner Wendung „Turn around“ das Kreisen-Motiv aufnimmt, schlicht gesanglich verstolpert, dann verfestigt sich der Gesamteindruck einmal mehr. Zwischen der Performance der Tanzenden und Musizierenden bleibt an diesem Abend eine Kluft.

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