Bloß nicht forever young!

Erna Omarsdottir eröffnet das Münchner Festival ScanART

München, 04/03/2010

Über 40-Jährige möchten oft gerne noch einmal jung sein. Nach Erna Omarsdottirs Stück „The Mysteries of Love“ auf keinen Fall. Die isländische Choreografin widmet sich darin der finsteren Seite des Teenagerdaseins. Metamorphosen und Unsicherheit stehen neben totaler Naivität und Überheblichkeit. Ein wenig anziehender Alptraum.

Wenn man schon sieht, wie linkisch die zwei Performerinnen (Omarsdottir und Margret Sara Gudjonsdottir) sich bewegen! Jeder Schritt wird ausgeführt und gleichzeitig zurück genommen, bei Gudjansdottir geraten die einfachsten Dinge, etwa das Aufrichten, zur exzessiven Studie. Mach ich mich auch nicht lächerlich? Eine typische Teeniefrage, die eigentlich sinnlos ist angesichts der Stimmungsschwankungen, denen junge Leute zwischen 12 und 17 unterworfen sind. Und die sie, folgt man Omarsdottirs Interpretation, auch genießen. Die Isländerin ergeht sich in Kicheranfällen, die ihr die Luft abschneiden, sie würgt, grunzt und brüllt wie von Dämonen besessen, schlimmer als im Film „Tanz der Teufel“. Das Ganze quittiert sie in den Erholungspausen aber nur mit einem erschöpften, glücklichen Lachen. Eine ins Extreme gesteigerte Wiederholung dieser Szene gibt es in der zweiten Hälfte des Stücks. Sie erschließt sich aber nur schwer. Sind alle Teenager besessen? Oder, schlimmer, sind alle Besessenen Teenager? Erinnerungen an die arme Annelise Michel, der man eine dämonische Besessenheit nachsagte, drängen sich auf.

Jugendlich sein, das heißt auch, der Veränderung des Körpers hilflos zuzusehen. Die zwei Tänzerinnen tun das, indem sie sich zu Knoten ohne Oben und Unten, ohne Anfang und Ende verwickeln. Das hilflose Rudern und Rollen ist angsterregend in seiner Ahnungslosigkeit, ein schreckliches Kuddelmuddel mit rosa Unterhöschen. Doch es endet, wo es enden muss, nämlich in übersteigerter Egomanie. „I am active, and so attractive“ grölt Omarsdottir zu den ohrenbetäubenden Black-Metal-Gitarren von Valdimar Johannsson und Sylvain Baron. Und Gudjansdottir schlägt unterdessen Saltos bis zur Erschöpfung.

Jugendliche haben keine schöne und vitale Kultur nötig, sie sind selbst schön und vital. Das Gegenteil ist es, was sie anzieht: das Morbide und Gefährliche. Nur wer topfit ist, kann es mit Dämonen aufnehmen. Diese Botschaft ist doch ein spannender Einstieg in die skandinavische Performancekunst.

Das ScanART Festival dauert noch bis zum 6. März. Das Programm ist unter www.jointadventures.net zu erfahren.

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