Homeless durch die Jahrzehnte
Ein Höhepunkt der Heidelberger Tanzbiennale: Maguy Marins Klassiker „May B“
Maguy Marins Ein-Stunden-Stück „Umwelt“ im Volkstheater: Genau so haben die Anfänge des Tanztheaters in den späten 70er Jahren ausgeschaut: Unerbittlich und brachial. Und deswegen nahm der künstlerische Tanz seinen Aufschwung: Es ging um politische und soziale Kritik, die mit Mitteln des Körpers formuliert wurde.
Wenn die renommierte Französin Maguy Marin (55) nun nach vielen Jahren mit ihrem Ensemble wieder in Wien gastiert, erinnert man sich. Freilich ist „Umwelt“ relativ neu, 2004 hatte es Premiere. Das geistige Potenzial aber, das dahintersteckt, zeugt von jahrzehntelanger Erfahrung. Und ist immer noch radikal. In „Umwelt“ setzt Marin den Zuschauer gewaltig unter Druck. Sie konfrontiert ihn mit Bildern, die wie in Endlosschleifen immer wiederkehren, abgesehen von ein paar Verdichtungen.
Ganz gewöhnliche Menschen kommen unablässig zwischen Reihen aus Spiegelwänden hervor und verschwinden auch gleich wieder. Menschen mit blauen Kappen. Frauen im Hochzeitskleid. Männer im Morgenmantel. Andere zeigen uns den nackten Hintern, halten ein Rosenstrauß, zücken eine Pistole. Einzelgänger. Ich-AGs. Kontaktlose Individuen. Lebende, von einem Rhythmus des unabänderlichen Gehens durchpulste Bilder. Gerne würde man hinter die Kulissen blicken, um den ausgeklügelten Mechanismus der steten Veränderung zu erkunden.
Abfall
Marin aber hält beharrlich fest an ihrem Konzept: Sie müllt den Zuschauer mit Alltag zu und lässt ihre Akteure auch noch Mist produzieren und wegwerfen. Zwischen den Tänzer-Darstellern und dem Publikum entsteht ein Schuttplatz, ein Abfallhaufen. Schon meint man altes Fleisch zu riechen, hat sich die Schmerz-Intensität im Gehörgang verstärkt. Marin dröhnt uns auch noch mit einem dichten Rauschen samt E-Gitarren-Sound zu.
Mit freundlicher Genehmigung des Kurier
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