„Tanzen macht mich sehr glücklich“

Jiri Bubenicek ist jetzt Erster Solist im Dresden SemperOper Ballett

Dresden, 11/11/2006

Dass er auf der Bühne zu jenen Herzensbrechern gehört, die man nicht mehr aus dem Blick verliert, wenn man erstmal in ihren Bannkreis geraten ist, wissen die Tanzfans allerorten längst. Und nach Hamburg gereist, um die erstrangige Company von John Neumeier und natürlich auch Otto und Jiri Bubenicek zu erleben, sind sie irgendwann alle. Nun müssen sich die Enthusiasten allerdings zweiteilen, um jeweils einen der begabten Tanz-Zwillinge zu sehen; Jiri Bubenicek ist jetzt Erster Solist im Dresden SemperOper Ballett. Noch fast ohne Kultstatus; Tänzer müssen sich ihren Ruhm - das gilt auch für einen Prager, der aus Hamburg nach Dresden gekommen ist - sowieso immer wieder neu erarbeiten. Dieser besitzt allerdings Qualitäten, die ihm den Neustart deutlich erleichtern.

Dass Jiri Bubenicek kein Blender, und im Gegensatz zu anderen offenbar nicht mal über das Maß eitel ist, ehrt ihn besonders, und irgendwie erscheint er gleich von Beginn an als eine Art Ruhepol im Ensemble. Aufmerksam, zurückhaltend, konzentriert in den Proben, auf der Bühne ein verlässlicher, intensiver Partner... Das ist einer, dem man immer nur das Beste zutrauen kann, auf den keiner auch nur einen Moment verzichten möchte. Zur Premiere des neuen Ballettabends „Wiedergeburt und Auferstehung“ am Sonntag in der Semperoper werden wir den Tänzer sowohl in „Thema und Variationen“ von George Balanchine wie auch in der Uraufführung „Das Verschwundene“ von David Dawson erleben.

In der Choreografie von Balanchine hat er in Hamburg schon getanzt, und dort wie auch hier mit der Ballett-Legende Patricia Neary zusammengearbeitet. David Dawson, dem fast gleichaltrigen neuen Hauschoreografen, begegnet er in Dresden erstmals in der Arbeit. „Er nimmt uns sehr ernst“, sagt Bubenicek, schwärmt davon, wie unglaublich lebendig Dawson demonstriere, was er von den Tänzern erwarte. „Bei ihm kommt alles vom Herzen“. Bubenicek hat als Zweitbesetzung auch „Enemy“ von William Forsythe mit einstudiert, und sich sehr darüber gefreut, Forsythe bei den Endproben zu erleben. „Mit ihm zu arbeiten, das ist für Tänzer unglaublich spannend“, und gerade diese Neugier auf viele Arten der Bewegung habe ihn auch dazu bewogen, nach 13 Jahren das Hamburg Ballett zu verlassen.

Im Gespräch mit ihm ist deutlich zu spüren, wie sehr er sich darauf freut, mit allen gemeinsam das Publikum zu überraschen, und er fragt immer wieder nach, ob auch die Dresdner und nicht nur Touristen kommen. Diese Lust darauf, die Zuschauer zu überzeugen, vereint alle Tänzer der Company. Und es gebe auch, wie er sagt, keine Unterschiede zwischen neuen Mitgliedern und übernommenen. Aaron Watkin habe absolut jeden sorgfältig ausgesucht, und nun käme es auch auf jeden an. „Ich fühle mich hier sehr wohl, und ich denke, das spürt man auch auf der Bühne.“ Auf seinen Bruder Otto bin ich bei unserem Zusammentreffen erstmal nicht zu sprechen gekommen, weil es den beiden offenbar längst über ist, ständig nur in Zweieinigkeit reflektiert zu werden. Doch er äußert sich selbst dazu: „Wir sind erwachsen - jeder hat sein eigenes Leben“, und er summiert den bisherigen Weg als „zusammen in der Familie, zusammen in der Ballettschule, zusammen im Engagement... Jetzt macht jeder seins, und das ist gut so.“ Aber auch auf Distanz werden sich die bekannten Zwillingsbrüder nicht aus den Augen verlieren, erwägen erneut gemeinsame Projekte, wie schon in Hamburg; Otto schreibt die Musik und Jiri choreografiert und macht auch Bühnenbilder. Zur Premiere am Sonntag kommen übrigens die Mutter aus Prag und der Bruder aus Hamburg. Jiri ist ganz stolz darauf, dass er es von Dresden aus schon dreimal geschafft hat, seine Mutter in der nun weniger weit entfernten Heimatstadt zu besuchen.

Dass seine Eltern Akrobaten waren und beide Brüder bis zum zehnten Lebensjahr in schönster Freiheit mitgezogen sind, hat er auch ganz freiwillig erzählt. Er habe als Kind überhaupt nicht glauben wollen, dass es Leute in einer Stadt, in einer Wohnung aushalten könnten. Die beiden schulpflichtigen Jungen kamen schließlich zur sesshaften Oma, wurden umsorgt, wenn die Eltern unterwegs waren, und natürlich war die Großmutter auch eine Künstlernatur. An das Prager Konservatorium hat Jiri (vielleicht ist er nur sehr freundlich) überwiegend gute Erinnerungen und betont die Vielseitigkeit der Ausbildung.

In Dresden lebt er übrigens in der Neustadt und fühlt sich dort sehr wohl. Ob es ihm nicht zu laut sei? Im Sommer etwas, aber jetzt wäre es deutlich ruhiger geworden. Und mit den Dresdnern, auch mit den Behörden, habe er bislang nur gute Erfahrungen gemacht. Welch ein Glückspilz aber auch. Er spricht begeistert vom Opernhaus und der bevorzugten Lage, erwähnt, dass man von Dresden aus gut in die Wälder und auf Berge kommen kann. Allzuviel Zeit für solche Ausflüge wird er bislang aber kaum gehabt haben, denn seit dem 1. August läuft das Proben- und nun auch das Vorstellungsprogramm auf vollen Touren. An raren freien Tagen wollen die meisten Tänzer nur noch schlafen, schlafen... Jiri hat allerdings Glück, dass er von Neumeier kommt. Dessen Repertoire kennt er bestens, und beispielsweise „Nussknacker“ und „Illusionen wie Schwanensee“ hat er in Hamburg schon reichlich getanzt. Was bei seiner Natur aber kaum heißt, dass er es sich bequem machen wird.

Gabriele Gorgas Premiere am Sonntag, 18 Uhr, weitere Aufführungen am 14., 16., 19., 23. November, 19 Uhr, sowie am 26. 11., 15 und 19 Uhr

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