Im Pas de deux von Tanz und Fotografie

Gundel Kilian - Vladimir Malakhov - „Jahrhunderttänzer“

oe
Stuttgart, 25/01/2006

Ja, so lasse ich mir Imagepflege gefallen! Und so bilde ich mir ein, dass ich mit meinen vielen ICE-Reisen den einen oder anderen Cent zu der von der Deutschen Bahn gesponserten Ausstellung von Gundel Kilians Ballettfotos Vladimir Malakhovs mitsamt dem dazugehören Buch beigetragen habe. Und sehe der nächsten Erhöhung der Bahnpreise mit einer etwas wohlwollenderen Gelassenheit entgegen.

Nach Berlin-Friedrichstraße und Dresden-Neustadt ist der Stuttgarter Hauptbahnhof die dritte Station der von der Deutschen Bahn initiierten Ausstellung von Gundel Kilians Ballettfotos, die sie im Laufe der Jahre von Vladimir Malakhov geschossen hat. Damit ist Malakhov genau an den Ort zurückgekehrt, von dem er zu seiner Weltkarriere aufgebrochen ist. Denn hier war es, 1992, wo er als Vierundzwanzigjähriger von den Ursuliaks wie ein Sohn aufgenommen wurde – auf diesem Bahnhof erwartete ihn Frau Ursuliak zu seinen ersten Kontakten mit dem Stuttgarter Ballett. Und an diesem Abend waren es nun einer der Chefs der südwestdeutschen Bahnverwaltung, der Stuttgarter Bürgermeister Michael Föll und Ballettintendant Reid Anderson, die Malakhov und Frau Kilian willkommen hießen und die bis zum 5. Februar dauernde Ausstellung eröffneten.

Man möchte sie allen Ballettfans dringend ans Herz legen. Denn auf diesen großformatigen Tafeln sind der Tanz und die Fotografie eine Symbiose eingegangen, der man in diesem Zusammenhang den künstlerischen Rang eines Pas de deux von Tanz und Fotografie zuzugestehen versucht ist. Ist es nun der weiße oder der schwarze Schwanen-Pas-deux – und wer fungiert hier als Odette/Odile und wer als Siegfried? Jedenfalls handelt es sich um einen Pas de deux mit Happy-End. Und wenn sich Gundel Kilian als hingebungsvolle Bajadere im Tempel von Terpsichore und Apollo erweist, eine andere Nikija sozusagen als Chronistin der Heldenkarriere des Solor, so hat sie sich mit diesen Fotos die Aufnahme in den fotografischen Pour-le-mérite-Orden der Martha Swope (als Fotografin von Martha Graham), von Cecil Beaton (für Fonteyn und Nurejew) und Siegfried Enkelmann (für Kreutzberg und Dore Hoyer) verdient. Malakhov kann sich wirklich glücklich schätzen, einer Lichtbildnerin mit dieser feinnervigen tänzerischen Sensibilität begegnet zu sein.

Unbedingt zu empfehlen ist auch das großformatige, elegant aufgemachte Buch „Gundel Kilian – Vladimir Malakhov – ‚Jahrhunderttänzer‘“ mit vielen ganzseitigen Farb- und Schwarzweiß-Fotos, das im Daco-Verlag erschienen ist (152 Seiten, 29,90 Euro), mit Texten von Marcia Haydée, Alex Ursuliak, Hartmut Regitz und Klaus Geitel, nebst Crankos gern wieder in Erinnerung gerufenem Statement zu seiner „Schwanensee“-Inszenierung u.a.

Ein Abend, der unweigerlich zum Träumen einlud: was wäre wohl geschehen, wenn sich die damalige Stuttgarter Ballettdirektion entschlossen hätte, Malakhov sofort als Principal in die Kompanie aufzunehmen (statt ihn in Stuttgart nur gelegentlich auftreten zu lassen und mit ihm auf Auslandstourneen zu renommieren)? Ihn also gewissermaßen Wien vor der Nase wegzuschnappen? Und für ihn Uwe Scholz aus Zürich zurück zu holen, um hier eine kreative choreografisch-tänzerische Partnerschaft zu begründen, die an die legendäre Partnerschaft von Cranko und Haydée angeschlossen hätte? Vielleicht hätte sich ja Scholz durch diese Herausforderung zu einem Choreografen auf der Ebene Balanchine-Ashton entwickelt – und Malakhov seinen einen Choreografen gefunden, was ihm trotz seiner gelegentlichen Zusammenarbeit mit Zanella und Scholz nicht wirklich geglückt ist.

Aber vielleicht begegnet er ja noch einem Choreografen seines Formats, der ihm zu seiner wahren Identität als „Jahrhunderttänzer“ verhilft (wobei man nicht recht weiß: nimmt er diesen Titel nun für das 20. – dann hätte er immerhin gegen die Konkurrenz von Nijinsky, Nurejew und Baryschnikow anzutreten – oder das 21. Jahrhundert in Anspruch). Eile wäre allerdings geboten, denn inzwischen ist er, Intendant des Berliner Staatsballetts, achtunddreißig Jahre alt. Ein weiterer Sponsor wird also dringend gesucht – nach DaimlerChrysler als Finanzier seiner DVD „Making of La Bayadère“ und jetzt der Deutschen Bahn – wie wär‘s mit der Deutschen Bank, oder, noch internationaler, mit Bill Gates und seinem Microsoft-Konzern?

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