Wieselflinker Dialog der Beine

„ilusión de tango“ in der Akademie der Künste präsentiert erotische Plänkeleien

Berlin, 24/03/2006

Was man Berlin nicht zutrauen mag: Es gilt als europäische Kapitale des Tango. Nicht des geglätteten Salontanzes freilich, wie ihn einschlägige Schulen für den Normalgebrauch lehren, sondern des um 1880 in Buenos Aires und Montevideo entstandenen, erotisch anrüchigen Tango Argentino. Tot war er daheim nie, auch wenn ihn international zeitweise andere Modetänze verdrängten. Seit den 1980ern erlebt er weltweit eine Renaissance, die auch Berlin, während der Golden Twenties schon einmal Tangozentrale, erfasst hat.

So gingen aus dem 1983 begründeten Estudio Sudamérica des Deutschuruguayers Juan D. Lange nahezu alle hierzulande praktizierenden Tänzer und Lehrer für Tango hervor. 2001 hatte die Berliner Tangoszene eine Vision: die ausgeprägt individualistisch arbeitenden Tangueras und Tangueros trotz aller Konkurrenz in einem gemeinsamen Projekt zu bündeln.

Knapp 50 von ihnen kamen, 26 hielten durch. Mit „BerlinTango“ riefen sie eine Dachorganisation ins Leben, die ihren Tanzstil weithin popularisieren, regionalen wie internationalen Tänzern eine Plattform bieten will. „ilusión de tango“ nennt sich die in der Akademie der Künste am Hanseatenweg zu besichtigende erste künstlerische Frucht. Zusammengetan haben sich dafür sieben der führenden Berliner Tangopaare, das seit 2003 existierende Orchester Sabor a Tango, der 2001 nach Berlin übergesiedelte Sänger Sergio Gobi und der durch den Putsch gegen Präsident Allende vertriebene chilenische Schauspielregisseur Carlos Medina. Als Geschenk versteht der Musikalische Leiter Peter Reil sein mit vier Bandoneóns, vier Violinen, Kontrabass und Klavier klassisch besetztes Tangoorchester, das einzige seiner Art in Deutschland. Den Tango auch auf großen Bühnen etablieren möchte Debra Ferrari, die aus Buenos Aires stammende Künstlerische Leiterin des Abends. Wir alle haben den Tango als Heimat und Gemeinsamkeit, summiert Carlos Medina.

Für „ilusión de tango“, gestellt auf eigenes Risiko der Beteiligten, entwarf Medina den künstlerischen Rahmen. Hinter einer Operafolie quirlen die Silhouetten eilender Passanten, bis gemeinsame Laufrichtung sie vereint. Zum ungemein dichten, präzisen, süffig schmelzenden Spiel der Musiker entwickeln sich daraus tänzerische Miniaturen, die vom persönlich gefärbten Umgang mit dem Tango erzählen, seiner Philosophie, seinen Wurzeln, seinen Veränderungen. Mit einem Repertoire bekannter, aber auch ungewöhnlich neuer Schritte und Hebungen berichten die Choreografien von erfüllter und verschmähter Liebe, Machotum, weiblicher List. Im erotikträchtigen Sitz auf dem Oberschenkel des Partners endet, nach akrobatischer Wurfhebung, häufig der wieselflinke Dialog der Beine.

Premiere 25.3., nochmals 31.3., 1.+2.4., jeweils 20 Uhr, Akademie der Künste
 

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