Ein Hauch von Copacabana

Deborah Colker mit „Maracanã“ im Forum zu Gast

oe
Ludwigsburg, 24/06/2006

Bei ihrer Hamburger Premiere im Januar hatte Deborah Colker mit ihrer „Maracanã“-Produktion als „offizieller Beitrag des Kunst- und Kulturprogramms der Bundesregierung zur FIFA WM 2006“ ziemlich herbe Kritik einstecken müssen (siehe Ulrich Völker im tanznetz am 28.1.2006). Inzwischen auf ihrer Tournee durch halb Europa bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen angekommen, waren die Erwartungen entsprechend gedämpft und noch zusätzlich gebremst durch die beiden hochkarätigen Spiele am Nachmittag (Deutschland gegen Schweden) und Abend (Argentinien kontra Mexiko). Fast hatte man schon befürchtet, dass der Saal leer blieb. Das war indessen nicht der Fall, und der Sieg Deutschlands beflügelte offenbar die Gutgelauntheit des Publikums, das die gerade mal einstündige Show mit einmütiger Zustimmung aufnahm.

Was hatten denn die Kritiker erwartet? Ein Fußball-Ballett? Dann hätten die Offiziellen den lustigen „Fußballspieler“ einladen müssen, den der inzwischen hundertjährige Igor Moissejew bereits 1930 schuf (aber für Russland hatte es ja diesmal nicht zur Teilnahme gereicht). Oder dass Colker das Erfolgsgeheimnis der Brasilianer tänzerisch ergründet hätte (dann hätten sie vielleicht Günther Netzer für eine Dramaturgie „Aus der Tiefe des Raums“ verpflichten müssen). Oder gar eine choreografische Soziologiestudie von den jugendlichen Kickers auf den Bolzplätzen der Favelas zum „Fußballer des Jahrhunderts“, alias Pelé mit seinen sagenhaften 114 Toren? Nichts von alledem bot die nach dem Fußballstadion in Rio de Janeiro benannte Show, deren Name „Maracanã“ hierzulande kaum bekannt ist und nicht entfernt mit der Popularität von Copacabana konkurrieren kann.

In der Tat suggerierten die toll aussehenden und topkonditionierten jungen Tänzer eher harmlose Strandspiele als die hochgradige Kunst der Futbolistas vom grünen Rasen. Wer sich auf die einzelnen Nummern der Show eher als eine Revue als auf ein Ballett einließ, konnte an der rasch abgespulten Szenenfolge durchaus sein ästhetisches Vergnügen haben. Wobei die Luftakte im Fluggeschirr an der hochgestellten Spielfläche sich viel artistischer und virtuoser ausnahmen als das ballettistische Gebolze auf dem Bühnenparkett. In der Tat verdienten diese Lufttouren ob ihrer Synchronisation höchste Bewunderung, suggerierten allerdings mit ihren Kraxeleien an der Steilwand eher alpine Klettertouren im Hochgebirge als die diversen aerodynamischen Figuren der Fußballtechnik. Im Übrigen hätten der Choreografie sicher eine stärkere Injektion von Samba- und Hip-Hop-Motionen gut getan. Links: www.ciadeborahcolker.com.br

 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern