TANZ2005 Bremen - Festival TANZeuropa

Mathilde Monnier: „Publique“

Bremen, 07/03/2005

Das Festival stehe „mit beiden Beinen fest auf hanseatischem Boden“, betont dessen Leiterin Sabine Gehm zur Eröffnung im Opernhaus. Viel Unterstützung sei aus der Region gekommen. 16 Kompanien aus acht Ländern kündigt sie mit hörbarem Stolz für die kommenden Tage an. Kunst und Kultur seien wichtige Faktoren für eine Stadt wie Bremen, meint ein Vertreter der Kulturstiftung der Sparkasse Bremen, des offenbar wesentlichen Sponsors. Schließlich klettert die Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann auf die Bühne und erklärt das Festival für eröffnet - zur Erleichterung des ungeduldigen Publikums.

Mathilde Monniers Produktion „Publique“ spielt mit der Erwartungshaltung des Publikums. Privates, auf die Bühne gebracht, wird logischerweise öffentlich, gewinnt eine andere Bedeutung als im eigenen Umfeld, umso mehr, wenn es choreographisch genutzt und veschmolzen wird mit dem an sich schon „öffentlichen“, choreographierten Material. Daraus zieht Monnier, Chefin des Centre Choréographique National de Montpellier, im Begleittext nichts weniger als die Frage „Was ist der Tanz?“ Scheinbar nur selbstbezogenes, also „privates“ Verhalten wie minimale Hand- und Fingerbewegungen kontrastieren mit Abläufen, die den ganzen Körper einsetzen, aber auch einem orgiastischen, atemberaubend langen Solo, bei dem die Tänzerin ihre Haare mit wildem Kopfwirbeln dauerhaft zur Berge stehen lässt und um sich greift, als kämpfe sie gegen unsichtbare Bedrohung. Die Zuschauer reagieren mit Spontanbeifall auf letzteres, hochartistisches Kabinettstückchen, bei dem Monnier einmal der „Hymne an den Tanz“ nahe kommt, wie sie im Programmheft verheißen wird.

Acht Tänzerinnen tummeln sich auf der Bühne, die nach hinten mit einer gerundeten Schräge, ähnlich einer Skaterbahn, abgeschlossen wird. Deren obere Kante wird oft als Beobachtungsposition genutzt. Äußere Veränderungen geschehen durch Licht- oder Kleiderwechsel. Aus dem wie ziellosen Hin- und Hergelaufe oder am Platz-Verharren schälen sich Soli heraus. Dazu haucht, hechelt, piepst und brüllt die Rocksängerin P J Harvey ihre sehr differenziert aufgebauten Songs, von deren ziemlich drastischen „Lyrics“ nur Bruchstücke zu verstehen sind. Eine Tänzerin verliert sich in einer Gogotanz-Parodie, eine andere liefert so etwas wie eine Kickboxübung, eine dritte lässt die Arme fliegen, dass sie kaum in den Schultergelenken zu halten scheinen, kleinstes Hüftschwenken antwortet auf krachenden Musikausbruch. Hinter der Kante tauchen Gestalten mit dem Kopf, mit dem Oberköper oder zur Gänze auf - und tauchen wieder ab, wie bei einem Kasperletheater.

Eine spannungsvolle Entwicklung, eine Verdichtung habe ich nicht erkennen können: Eins löst das Andere ab, ohne irgendeine Beziehung zueinander. Die Teile scheinen mir nach Belieben austauschbar, ergeben wenig Stoff zum Nachdenken oder gar zur Kurzweile. Aus der Bewegung leitet Monnier zum Wort über: Ihre Tänzerinnen ergreifen Mikrophone und geben Texte von sich, von „I see danger coming“ über „This world is crazy“ bis zu „I want a pistol in my hand“. Dabei verliert sich der Blick bedeutungsvoll, gelangweilt wie im ganzen Stück nach innen. Harvey krächzt „Lift my legs I‘m on fire“. Vielleicht sollten sich Monnier und ihr Ensemble selber Pfeffer geben mit der umgewandelten Zeile „Lift your legs and be on fire“.


Seit seiner Gründung im Herbst 1989 hat sich das Festival TANZ Bremen zu einem internationalen Festival für zeitgenössischen Tanz entwickelt, das als kulturelles Markenzeichen der Stadt zu Bremen gehört. TANZ Bremen versteht sich als Bindeglied zwischen Bremer Tanzszene, Bremer Publikum und dem Tanzgeschehen auf internationaler Ebene. Seit 2002 findet das Festival nicht mehr jährlich, sondern nur noch alle zwei Jahre statt. Dank des Zusammenschlusses wichtiger Bremer Tanzeinrichtungen zur TANZstadt Bremen (siehe unten) und der Unterstützung durch das Projekt Kulturhauptstadt Europas 2010, ist es gelungen, 2005 eine zusätzliche Ausgabe von TANZ Bremen mit dem Titel TANZeuropa zu organisieren, das getragen wird vom Verein TANZ Bremen e.V. und sich finanziert durch städtische Gelder, Sponsoreneinnahmen - insbesondere von der Kulturstiftung der Sparkasse Bremen - und Eintrittsgelder.

Einige der Gruppen und Choreographen, die in der 15-jährigen Geschichte des Festivals zu Gast waren: Akram Khan Company (Großbritannien), Arco Renz/Kobalt Works (Belgien), Bremer Tanztheater (Bremen), Catherine Diverrès (Frankreich), Lia Rodrigues Companhia de Danças (Brasilien), Cie. Fattoumi-Lamoureux (Frankreich), Cie. Michèle Noiret/ TANDEM asbl (Belgien), Companhia João Fiadeiro (Portugal), Constanza Macras/ DORKY PARK (Berlin), Déjà Donné Production (Tschechische Republik), EN-KNAP Dance Company (Slowenien), Hans Hof Ensemble (Niederlande), Ingun Bjørnsgaard Prosjekt (Norwegen), Jérôme Bel (Frankreich), Jochen Roller (Berlin), K. Kvarnström & Co ( Schweden), Les Ballets C. de la B./ Koen Augustijnen (Belgien), Marc Rees (Großbritannien) Riu Horta.stage works (München), Samir Akika - Les petits Poissons (Düsseldorf), Stephen Petronio Company (USA), Thomas Lehmen (Berlin) Tino Sehgal (Berlin). TANZstadt Bremen Was liegt näher in diesen Zeiten, in denen die öffentliche Hand tagtäglich finanzielle Klagerufe ausstößt, als die Kräfte zu vereinen. Besonders in einem sensiblen und gewissermaßen zerbrechlichen Bereich wie dem Tanz, in dem rasch lange und mühsame Aufbauarbeit, sei es in der freien Szene oder an Theatern, aus Geldnot schlicht weggewischt werden. In Bremen haben sich die örtlichen Tanzinstitutionen im September 2004 zur TANZstadt Bremen ( Die Initiative für zeitgenössischen Tanz) zusammengeschlossen, nicht zuletzt auch im Blick auf die Bewerbung der Kommune als Kulturhauptstadt Europas 2010.

Mit dabei sind: das Bremer Tanztheater, DE LoopERS (Tanztheater für Kinder und Jugendliche), die private Fachschule Impuls, das Tanzwerk (Zentrum für zeitgenössischen Tanz), das Deutsche Tanzfilminstititut, steptext dance projekt in der Schwankhalle, das Tanzfestival TANZ Bremen. „Tanzeinrichtungen und Kompanien im Umkreis von Bremen“ wird angeboten, ihre Veranstaltungen über TANZstadt zu „bewerben“. Bis Juni 2005 laufen Projekte wie TANZstart, TANZmedien (Deutsches Tanzfilminstitut), TANZköpfe (wie Urs Dietrich, Susanne Linke), das Festival TANZeuropa und TANZstadt, bei dem Tanz die Stadt erobern soll.


Informationen unter: Telefon: 04121 / 76 871,
E-Mail: info@tanzstadt-bremen.de, und www.tanzstadt-bremen.de .
Die Festivals drängen sich in diesem Jahr im Norden: Hamburg Kampnagel: Polyzentral 2.-19. März Bremen: TANZeuropa: 4.-12. März Hannover: 25. April - 27. April (Ostern) Internationaler Choreographiewettbewerb und Gastspiel der José Limon Company Oldenburg: 20. Mai - 28. Mai

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