Reid Anderson zu Gast im koeglerjournal

Der Stuttgarter Ballettintendant berichtet über das 2. Treffen der Ballettdirektoren im englischen Hertfordshire

Stuttgart, 11/02/2005

Wer hätte das gedacht, dass ich vier Jahre nach dem Versuch, das koeglerjournal im Internet zu lancieren, den Stuttgarter Ballett-Intendanten Reid Anderson einladen könnte, als Gast über seine Erfahrungen beim internationalen Treffen der Ballettdirektoren aus vier Kontinenten zu berichten. So ist es mir eine ganz besondere Ehre – und eine aufrichtige Freude –, ihn heute hier den Lesern (von mir aus auch: den Usern) des kj präsentieren zu können. Also: Welcome Mr. A. im tanznetz.de! oe

Rural Retreat: Ballet into the 21st Century Die zweite internationale Tagung der Ballettdirektoren in England. Vom 7. bis 10. Januar 2005 trafen sich 26 Ballettdirektoren aus vier Kontinenten im englischen Hertfordshire zur zweiten Tagung „Rural Retreat: Ballet into the 21st Century“. Fast alle weltweit bedeutenden Compagnien waren vertreten: von John Alleyne (Ballet British Columbia), Ivan Liška (Bayerisches Staatsballett München) über Monica Mason (The Royal Ballet, London) bis zu Alexei Ratmansky (Bolschoi-Ballett) und Stanton Welch (Houston Ballet) – um nur einige zu nennen. Ballettdirektoren, die die Verantwortung für hochkarätige Tänzer tragen, Budgets verwalten und mit ihrer Repertoire-Politik das Publikum überzeugen müssen.

Dementsprechend ging es in der Abgeschiedenheit des englischen Landhauses um den „Ist-Zustand“ und die Zukunft des Balletts. Zu den Fragestellungen gehörte u. a.: In welche Richtung geht das Ballett? Wie sieht das Publikum der Zukunft aus und wie können wir es erreichen? Welche Rolle spielen neue Choreographien in der Repertoire-Politik der einzelnen Compagnien? Welchen Problemen stehen staatlich nicht subventionierte Compagnien gegenüber und gibt es auch Probleme für Balletttruppen, die von staatlicher Seite finanzielle Unterstützung erhalten? In intensiven Arbeitsgruppen haben wir uns der Erörterung dieser Fragen gewidmet und konnten dabei wichtige Impulse untereinander austauschen. Wir kamen darin überein, dass sich das heutige Ballett von lange vorherrschenden Mustern gelöst und weiterentwickelt hat.

Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die neue Tänzergeneration, die sehr gut ausgebildet ist, über höchste technische Fähigkeiten verfügt, aber auch unter großem Erfolgsdruck steht und sehr beansprucht wird. Dies führte uns zur Thematik der „Tanz-Medizin“: Gute Erfahrungen haben alle anwesenden Direktoren mit Physiotherapie, Gyrotonics und Pilates gemacht. Doch sollten wir nicht warten, bis es bei den Tänzern zu Verletzungen gekommen ist. Verstärkte Aufklärung ist unerlässlich und speziell zusammengestellte Fitnessprogramme zur Vorbeugung von Verletzungen müssen erarbeitet und angewendet werden. Die abschließende und für mich wichtigste Frage unseres Forums war: „Ist die Kunst des Klassischen Balletts überhaupt noch zeitgemäß? Würden wir sie vermissen?“ Unsere einstimmige Antwort lautete „Ja“. Die Begeisterung des Publikums gibt uns Recht und bestärkt uns darin, mit unserer Arbeit fortzufahren. Unsere nächste Tagung haben wir für Januar 2007 anberaumt und ich bin sehr gespannt darauf zu erfahren, in welche Richtung wir und unsere Compagnien sich entwickelt haben, und welche neuen Fragen sich ergeben werden. Reid Anderson, Intendant Stuttgarter Ballett

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