Wo das Medium Tanz die Botschaft ist

Hans van Manen erhält den Duisburger Musikpreis 2004

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Duisburg, 21/11/2004

Vergeblich habe ich versucht, die Dutzende von Preisen zu zählen, die Hans van Manen im Laufe der Jahre bekommen hat. Vor rund zehn Jahren war ja auch bereits der Deutsche Tanzpreis (1993) darunter. Gleichwohl messe ich dem ihm heute im Wilhelm-Lehmbruck-Museum verliehenen Duisburger Musikpreis 2004 besondere Bedeutung zu. Eben weil es sich um einen Musikpreis handelt, der ihm als erstem Choreografen neben so eminenten Persönlichkeiten wie Wolfgang Rihm, Hans Werner Henze, Krzysztof Penderecki und Yehudi Menuhin verliehen wird. Und das freut mich ganz ungemein, da ich – die Leser des www.tanznetz.de/koeglerjournals wissen es bis zum Überdruss – so großen Wert auf eine innige Verbindung von Tanz und Musik lege (und mich nichts so fuchst wie unmusikalische Choreografen).

Es ist die hochsensible Musikalität van Manens, die mich an seinen Balletten – und er wagt es ja wirklich, sie noch so zu nennen – immer wieder beglückt. Und so sind wir uns denn auch bei einem Musikmann zuerst begegnet: Mitte der sechziger Jahre bei Manfred Gräter in Köln, Redakteur beim WDR, der dann der erste Musikchef des Dritten Fernsehprogramms bei Werner Höfer wurde. Er hat dann ja auch bald die frühen Van-Manen-Fernsehproduktionen betreut, darunter auch „Ready Made“, jenes inzwischen legendäre „Ballett an einem Tag“, für das an einem Februar-Morgen im Studio des Nederlands Dans Theaters in Den Haag die Proben begannen, und das am gleichen Abend im Königlichen Theater zur Uraufführung gelangte.

Gräter, der leider schon 1989 gestorben ist, wurde zu van Manens engstem musikalischen Berater, sozusagen zu seinem musikalischen Privatsekretär, der van Manen immer wieder auf Kompositionen hinwies, von denen er überzeugt war, dass sie die Fantasie des Choreografen beflügeln könnten – darunter auch das in seiner Ballettversion so berühmt gewordene „Adagio Hammerklavier“ in der Einspielung von Christoph Eschenbach. Das Ballett, das für mich am reinsten van Manens Ästhetik reflektiert, war und ist indessen ein anderes: „Squares“ zu den „Gymnopédies“ von Erik Satie, diese kühl-elegante Studie über das Verhältnis von Musik, Raumplastik und Bewegung, die wie eine tänzerische Metamorphose der Formenwelt Mondrians anmutet.

Nie hat er das choreografiert, was man gemeinhin ein Handlungsballett nennt. Und doch erzählen die meisten seiner Ballette eine Geschichte – die Geschichte, die ihm die Musik erzählt, aber keine hermeneutische und schon gar nicht eine literarisch-illustrative, sondern eher schon, was ihm ihre Seele erzählt. Eine Geschichte, die sich in dem Moment verflüchtigt, in dem man sie in Worten dingfest zu machen versucht. Es sind Geschichten ohne Worte, die an Mendelssohns „Lieder ohne Worte“ denken lassen oder an Beethovens „Mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei“. Deren Worte einzig und allein der Tanz sind. Ballette, in denen das Medium Tanz die Botschaft ist!

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