Grimmiges Märchen

Der Spielplan für das Bayerische Staatsballett in der kommenden Spielzeit

München, 08/05/2003

Ivan Liška mag sich derzeit ins Reich edler Prinzen und fantastischer Großfürsten wünschen, das der Direktor des Bayerischen Staatsballetts so oft auf seiner Bühne sieht. Dort wird über Geld nie geredet, und junge Schönheiten schwirren scharenweise durch die Paläste. Solch eitler Sonnenschein strahlte nur außerhalb der Mauern von Liškas Reich, als er bei einer Pressekonferenz nun die Pläne seiner Compagnie für die kommende Spielzeit vorstellte. Denn vorbei sind die opulenten Tage, auch das Staatsballett muss kräftig sparen - und noch dazu laufen Münchens Ballerinen gleich reihenweise zu fernen Ballettprinzen davon.

Arg bescheiden die Neuigkeiten, die im kommenden Jahr auf das Münchner Ballettpublikum warten: nur zwei halbe Premieren nämlich. Marius Petipas Klassiker „Dornröschen“, der eigentlich in der Londoner Fassung von Anthony Dowell ans Staatsballett geholt werden sollte, wurde erstes Opfer des Rotstiftes. Nun werden die 25 Jahre alten Dekorationen und Kostüme, die Peter Farmer seinerzeit für Peter Wrights „Dornröschen“ gestaltet hatte, noch einmal entmottet - und Liška selbst bastelt dazu eine neue Choreografie für die Premiere am 2. Dezember. In unnachahmlich charmanter Art weiß allein Opernchef Sir Peter Jonas das Beste aus der Situation zu formulieren: Ivan gewährleistet, dass es besser aussehen wird als das Original, aber günstiger ist. Am 10. März 2004 folgt ein weiteres Porträt von kurzen Stücken eines modernen Choreografen: nach Van Manen, Kylián und Neumeier ist diesmal der schwedische Cullberg-Sprössling Mats Ek dran. „A Sort of“, die eine Hälfte des Abends, ist dabei freilich längst ein guter Bekannter im München Repertoire. Dazu kommt „Apartment“, das Ek kürzlich für die Pariser Oper kreiert hat. Außerdem werden anlässlich des Balanchine-Jahres 2004 gesammelte Werke des Jahrhundertchoreografen aus dem hiesigen Repertoire in neuer Kombination aufgemöbelt: „Concerto Barocco“, „Apollo“, das Brahms-Schönberg Quartett und - als Ausblick auf die Post-Neoklassik - „the second detail“ des einstigen Joffrey-Schülers William Forsythe geben ab 12. Mai unter dem Titel „Auf den Spuren Balanchines“ Unterricht in der Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts. Mit dem „Nussknacker“, der „Kameliendame“ und der „Bayadère“ werden zudem sichere Schlager wiederaufgenommen.

Großartig besetzt ist indes die Ballettwoche vom 10. bis 19. März: Dann gibt es wieder eine Terpsichore Gala mit internationalen Gästen, die ebenfalls dem 100. Geburtstag George Balanchines verschrieben ist. Als Gastcompagnie reisen dazu die Grands Ballets Canadiens de Montréal an.

Mehr Überraschungen als der Spielplan dürfte indes in der kommenden Saison der Blick auf die Besetzungszettel versprechen: die Riege der Ersten Solisten präsentiert sich nämlich bald schon voller Lücken. Zwar bleibt Lucia Lacarra, die kürzlich mit dem russischen Ballett-Oskar, dem Prix Benois, ausgezeichnet wurde, nun doch dem Haus erhalten, obgleich die temperamentvolle Spanierin vor einem halben Jahr lautstark ihren Weggang angekündigt hatte. Dafür hat der hauseigene Shooting Star Kusha Alexi aus privaten Gründen fluchtartig das Weite gesucht. Barbora Kohutkova, erst von einem Jahr nach München verpflichtet und kaum drei Monate lang wirklich tanzend zu sehen, verlässt das Haus in beiderseitigem Zorn wie Einvernehmen, und nicht genug: Auch Maria Eichwald steht mittelfristig nur noch als Teilzeitballerina zur Verfügung, da die 28-Jährige verständlicherweise die vielen Gastanfragen von außerhalb wahrnehmen möchte, solange es noch nicht zu spät ist. Nicht nur bei den Ballerinen muss Liška aufstocken: Auch Oliver Wehe scheidet altersbedingt mit der laufenden Spielzeit aus, wobei der Ballettdirektor in der Herrenriege ersatzweise auf eine ganze Armada hochtalentierter Solisten aus eigener Schmiede zurückgreifen kann. Gefüllt ist immerhin endlich die Lücke von Ballettdirigent André Presser, der vor zwei Jahren in Pension ging: Der Amerikaner Myron Romanul kommt fest ans Pult im Nationaltheater.

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