Gastspiel des ballettmainz anlässlich der ersten Verleihung des Preises der Foundation Heinz Spoerli an Martin Schläpfer

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Basel, 13/09/2003

Etwas mehr hätte es schon sein dürfen! Damit ist nicht die stattliche Summe von 20 000 Schweizer Franken gemeint, mit denen der Preis zur Förderung der Schweizer Tanzkunst dotiert ist, den die Foundation Heinz Spoerli erstmals an diesem Abend verliehen hat – und zwar an Martin Schläpfer. Der stammt zwar aus St. Gallen, hat dann aber in Basel während der Spoerli-Ära als Tänzer Karriere gemacht, bevor er aufbrach und als junger Ballettchef und Choreograf seine Lehrjahre in Bern absolvierte und dann seit 1999 in Mainz einen derart glücklichen Ballettaufbau betrieben hat und betreibt, dass ballettmainz heute zu den gefeiertsten Ballettkompanien in Deutschland gehört – und Mainz aufpassen muss, dass Schläpfer nicht von anderen, potenteren Bühnen abgeworben wird.

Gott sei Dank ist er klug genug, zu wissen, welch einen für die Sache des Tanzes engagierten Intendanten er hat, und so hat er bisher noch allen vermeintlich lukrativeren Verlockungen widerstanden. Martin im Glück also – wohin man auch immer kommt, alle Welt schwärmt von Martin, bewundert seinen Kompanieaufbau, seine Repertoirepflege, seinen Umgang mit den Tänzern und dem Publikum, seine Bescheidenheit, seine exzeptionelle Musikalität, seine choreografische Vielseitigkeit, seine Offenheit auch für andere choreografische Stile und Handschriften, Schläpfer hat den Preis mehr als verdient! Gerade deswegen hätte man sich eine etwas festlichere Umrahmung der Vorstellung im Basler Theater gewünscht! Zumal nach der fabelhaften Präsentation seiner „Kunst der Fuge“, die inzwischen schon zu einer Art Schlüsselwerk von ballettmainz avanciert ist (und deshalb auf Gastspielen auch unter diesem Titel annonciert wird – und nicht wie in Mainz mit der nichtssagenden Nummerierung als „Ballett X“).

Es war eine Vorstellung, die die Tänzer mit furiosem Elan getanzt hatten – in der ich, wie stets, immer wieder neue stimmige Details entdeckt hatte. Diesmal erinnerte mich die Vielfalt der verwendeten stilistischen Mittel ein wenig an den Stuttgarter „Ring des Nibelungen“, dessen vier Teile bekanntlich von vier verschiedenen Regisseuren realisiert wurden – während Schläpfer hier in Personalunion die verschiedensten choreografischen Handschriften sozusagen in Personalunion verband: quasi Balanchine, Tudor, van Manen, Humphrey und Tharp nebst Eiko und Koma auf den gemeinsamen stilistischen Generalnenner Schläpfer gebracht! Das ist faszinierend anzusehen!

Allerdings stört mich jedes Mal mehr die unsägliche, geschmacklose und kitschige Kostümausstattung von Catherine Voeffray: dieser Mischmach der Materialien, mit den scheußlichen tarnfarbigen Stoffen und den Spitzendessous über den schwarzen Badehosen der Männer. Grässlich (wie seinerzeit die Erstausstattung für Balanchines „Apollon musagète“). Da ist man richtig dankbar, wenn Jörg Weinöhl sich seiner Brimboriums-Drapierung entledigt und nur mit seiner schwarzen Badehose bekleidet tanzt (das wünschte man sich auch von Nick Hobbs und seinen schwarzen Spitzenvolants). Diese Kostümbildnerin ist die reinste Geschmacksverbilderin! Das Basler Publikum feierte die Tänzer und insbesondere Schläpfer wie einen lang vermissten Heimkehrer (kein Wunder nach Vámos, Schlömer und Wherlock). Denn es ist noch immer ein Ballettpublikum (das publizistische Avancement Wherlocks zu einem Tanztheatermann – im Gegensatz zum sogenannten Klassiker Spoerli – ist geradezu lachhaft).

Gerade deswegen hätte man sich gern eine etwas offiziellere Ehrung Schläpfers gewünscht als die simple Schecküberreichung durch Spoerli und die paar gewiss aufrichtigen und warmherzigen Dankesworte Schläpfers. Hier wäre eine Laudatio auf Schläpfer angebracht gewesen – als den legitimen Erben einer spezifischen Basler Ballett-Tradition, die von Orlikowsky unter Schramm begründet wurde, von Spoerli unter der Direktion von Horst Statkus auf ihren künstlerischen Höhepunkt geführt wurde, die sich unter Schlömer dann in die innere Emigration zurückzog und jetzt unter Wherlock erste, allerdings künstlerisch noch sehr schwache Wiederauferstehungsansätze zeigt – ausgesprochen kreativ dagegen derzeit im Mainzer Exil, rheinaufwärts, weiter existiert.

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