Vom Start an große Klasse

Das Züricher „Junior Ballett“ in Ludwigsburg

Stuttgart, 26/04/2002

So ganz hat sich der Züricher Ballettdirektor Heinz Spoerli mit dem von ihm im vergangenen Jahr zusätzlich zu seinem Opernballett gegründeten „Junior Ballett“ nicht an das berühmte Vorbild des Nederlands Dans Theaters II gehalten. Zwar besteht die Truppe vorwiegend aus Absolventen der von Spoerli neuerdings ebenfalls geleiteten Schweizerischen Ballettberufsschule, aber sie ist nicht, anders als das NDT II, völlig autonom, mit eigener Direktion, eigenen Ballettmeistern und einem eigenen Repertoire ausgestattet, sondern sehr eng mit der großen Compagnie verbunden, deren Nachwuchsbeschaffung sie in erster Linie dienen soll. Also tanzen einige ihrer Mitglieder bei Bedarf bereits in Aufführungen des Opernballetts, und dessen Tänzer müssen beim Junior Ballett aushelfen, wenn es das künstlerische und technische Niveau der Choreografien erfordern.

Bevor Spoerli die neue Truppe erstmals dem Publikum und den Kritikern im heimischen Opernhaus präsentiert, was am 4. Mai geschehen soll, hat er sie auf eine kleine Deutschlandtournee geschickt, bei der sie sich unter Praxisbedingungen gewissermaßen aufeinander einspielen kann. Eine der Stationen war das Ludwigsburger Forum, wo sich die Junioren an zwei Abenden als eine bestens trainierte und hoch motivierte Equipe von schon jetzt professionellem Zuschnitt erwiesen hat. Das festzustellen, war nicht zuletzt deshalb leicht, weil das Programm fast nur aus Stücken bestand, die in der Region bekannt sind: Auszüge aus Spoerlis Meisterwerk „Goldberg-Variationen“, „All Shall Be“, das im vergangenen Jahr vom Züricher Ballett bei den Schlossfestspielen uraufgeführt wurde, sowie Hans van Manens „Solo“, das zu den meistgetanzten Werken des Stuttgarter Balletts gehört. Nur Spoerlis elegisch-dynamischer Pas de deux „Bluelight“ über eine Beziehung auf Messers Schneide zu den Fratres von Arvo Pärt war hier noch nicht zu sehen. Aber er war ohnehin etwas außer Konkurrenz, weil seine brillanten Interpreten Ekaterina Menchikh und Nicolas Blanc im „großen“ Züricher Ballett tanzen.

Verblüffend zu sehen, wie wohl sich die Youngsters in Bachs „Goldberg-Variationen“ fühlen, wie sie sich schon jetzt weit über die eigentliche Technik erheben, mit ihren Körpern kleine Anekdoten erzählen, wie beredt ihr zurückhaltendes Mienenspiel ist, und wie es ihnen gelingt, selbst in den bravourösen Sprung- und Drehpassagen klug das zu zügeln, was ihnen sonst prompt als „jugendlicher Überschwang“ attestiert würde. Das sind schon in jungen Jahren reife Künstler, die vielen erfahrenen Profis Paroli bieten können.

Und Manens „Solo“ zu Bachs Partita für Violine Nr. 1, diese irrwitzig schnelle, anstrengende Choreografie, die nie von einem Tänzer allein bewältigt werden könnte, hat in Davit Karapetyan, Tigran Mikayelyan und Dmitri Govoroukhine virile und trittsichere Lausbuben zur Verfügung, denen der Schalk aus den Augen blitzt, und die das alles so lässig herunterhaspeln, als wäre es überhaupt nichts. Zum Schluss „All Shall Be“ zu Bachs populärer Ouvertüre D-Dur BWV 1068 - seit es für Zürich gewissermaßen kräftig entalbert wurde und nurmehr ein blitzblankes, virtuoses Stück für gut gelaunte Tänzer ist, kann man sich an seinem Esprit gar nicht satt sehen. Und offensichtlich auch nicht müde klatschen, wie das hingerissene Ludwigsburger Publikum bewiesen hat. Da gibt es jetzt plötzlich eine neue Ballettcompagnie, die vom Start an große Klasse hat. Gratulation.

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