Maurice Béjart mit La Compagnie M in „Mère Teresa et les enfants du monde“

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Friedrichshafen, 07/11/2002

Das versprach schlimm zu werden: Maurice Bèjart mit Marcia Haydée als Mutter Teresa in einer Produktion mit seiner neuesten Compagnie M, die aus fünfzehn, gerade flügge gewordenen Tänzer-Junioren aus allen Teilen der Welt besteht. Da malte man sich schon aus: Stuttgarts Ex-Prima nach ihrem Abstecher auf dem Callas-Friedhof nun also am Ganges, durch Kalkutta eilend, ein verhärmter und ausgezehrter Engel der Barmherzigkeit, umgeben von einer Horde dreckiger, verwahrloster Kinder ...

Und doch kam es ganz anders. Beim Gastspiel im Zeppelin-Haus in Friedrichshafen am Bodensee präsentierte sich eine Marcia Haydée, sehr hoheitsvoll, ganz Würde, gerade mal ein kleines Kreuz auf der Brust, elegant gewandet, umgeben von lauter jungen, gut anzusehenden, technisch bestens konditionierten Tänzern. Aber dann war Haydée natürlich schon immer der Inbegriff der Mutter – eine Rolle, die sie, nach dem Tod von Cranko gleichsam verwitwet, für die Tänzer des Stuttgarter Balletts übernommen hatte und in der sie mehr und mehr zu einer Mutter Courage des Tanzes geworden war.

Und die originale Mutter Teresa, alias Agnes Gonxha Bojaxhio, Friedens-Nobelpreisträgerin aus Skopje, Missionarin der Nächstenliebe? Die war anwesend eigentlich nur durch knappe Textpassagen aus ihren Schriften, deklamiert von Haydée, gelegentlich auch von den Tänzern, mündend in einen Halleluja-Chor (nicht von Händel). Dreizehn Texte insgesamt, um die Béjart die dreizehn Stationen seines Spektakels arrangiert hatte, über Lieb und Leid und Tod, über den Teufel und Gott, über Armut, Einsamkeit und Freundschaft, natürlich auch über den Tanz und über die utopische Verheißung ewigen Völkerfriedens – wie er sie seither immer wieder gepredigt hat, ein Missionar auf ständiger Wanderschaft durch die Weltkulturen.

Sein Vokabular: ein klassisch-grundiertes Esperanto, hier nun ein bisschen indisch grundiert, doch mit Elementen aus vielerlei Tanzkulturen angereichert, getanzt auf nackter Sohle und von den Mädchen gelegentlich auch in Spitzenschuhen, in weißen und fleischfarbenen Trikots, die Jungs – man kann hier unmöglich von Damen und Herren sprechen – auch mit nackter Brust. Das Ganze sehr ausgedünnt, sehr vereinfacht, aber deswegen keineswegs ärmlich wirkend, durchaus tänzerisch, in Haydées Szenen an Béjarts Hommage an Isadora Duncan erinnernd. Zu traditioneller und klassischer indischer Musik, Sufi Soul, Schlagzeug-Gewittern und Pop-Songs, aber auch zu Bach und Mozart und für Haydées großes Solo zum Allegretto aus Beethovens Siebter Sinfonie.

Béjart nennt das Ganze zwar ein Spectacle, aber die Wirkung ist wenig spektakulär, eher schlicht, reiner Tanz – eine Hommage an die Botschaft Mutter Theresas, kein Versuch – Gott sei Dank! –, ihr sozusagen posthum das Tanzen beizubringen. Das erledigen die blutjungen Tänzer mit heißhungrigem Elan, und sie tun es mit vielversprechendem Können und strahlendem Optimismus – Hoffnungsträger einer besseren Welt von morgen!

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