„Lebenslang“ mit Margaret Illmann und Bettina Thiel

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Stuttgart, 14/11/2002

Da ist Kirstin Kurz, der dem Tanz so aufgeschlossenen Direktorin des Kulturprogramms im Stuttgarter Treffpunkt Rotebühlplatz, ein veritabler Coup gelungen. Eine Woche nach der Berliner Premiere im Theater am Halleschen Ufer präsentiert sie Margaret Illmann und Bettina Thiel mit ihrer „Lebenslang“-Produktion, erarbeitet zusammen mit dem Choreografen Christoph Winkler, Artist in Residence der Berliner Theaterfabrik.

Und die Stuttgarter ließen es sich nicht nehmen, Illmann, die von der Stuttgarter Ballettdirektion so schnöde verabschiedet wurde (und inzwischen scheint man sich so ziemlich einig, wem wir diese Zwangsabschiebung zu verdanken haben) und ihrer Kollegin von der Berliner Staatsoper ihre ungebrochene Sympathie zu bekunden. Die beiden Tänzerinnen, die sich typenmäßig so fabelhaft ergänzen, feierten einen Triumph, wie er bei ihrem Auftritt in der Oper, einschließlich der Blumensträuße, nicht jubelnder hätte sein können.

Es war aber auch ein tolles Programm, wie sie da eine Stunde lang auf dem nackten Podium standen, sich von Winkler befragen ließen, selbst ein bisschen talkten, wie das heute so schön heißt – und vor allem natürlich tanzten – und tanzten, wie wir zumindest Illmann (Thiel kennen wir ja längst nicht so gut) noch nie gesehen haben (ich musste anfangs zweimal hingucken, um mich zu überzeugen, dass sie es wirklich war). Hinterher resümierte man dann, dass die beiden an diesem Abend ein Programm absolviert hatten, dass schon rein vom choreografischen Quantum her mehr bot als ihnen sonst selbst in einem Abendfüller abverlangt wird – und das in einer stilistischen Breite zwischen klassisch und modern (mit entschiedener Dominanz des Modernen), die für ständig neue Überraschungen sorgte.

Das war zunächst einmal diesem jungen Choreografen Christoph Winkler aus Berlin zu verdanken, den ich bisher nicht kannte (immerhin ist er bereits in oes digitalem Lexikon vertreten mit einem exzellenten Porträt „Bewegliches Heer von Metaphern“ anlässlich seiner Premiere „Herbst“ aus der FAZ vom 26. Oktober 2001). Der stellte den beiden Fragen über ihr künstlerisches und privates Selbstverständnis, wie ich sie so intelligent und so nachbohrend schon lange nicht mehr erlebt habe. So dass ich wünschte, die beiden Interviews durch eine unserer Tanzgazetten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu sehen.

Und der sie dann auch choreografisch bis an ihre Grenzen gefordert hat (und im Falle Illmann auch darüber hinaus – bei Thiel kann ich das nicht beurteilen, weil ich sie nicht so gut kenne). Illmann könnte in Winkler ihren Choreografen entdeckt haben (wie Balanchine der Choreograf von und für Farrell, Ashton für Fonteyn und MacMillan für Seymour war), der mit ihr in choreografische Bereiche vorstieße, wie sie sie bisher mit Choreografen wie Neumeier, Bintley und Bigonzetti noch nicht erkundet hatte (aber vielleicht ja mit Graeme Murphy, in dessen höchst unkonventioneller „Schwanensee“-Choreografie sie derzeit beim Australian Ballet tanzt).

Träumen wird man ja wohl noch dürfen – und so träume ich von einer Margaret Illmann als Primaballerina des Stuttgarter Balletts, die sich mit einem so kreativen Choreografen wie Christoph Winkler zur Identifikationsballerina des Stuttgarter Balletts entwickeln könnte – gemäß dem Stuttgarter Cranko-Haydée Modell. Und was für herrlichen Zeiten gingen wir da entgegen, wenn wir neben ihr in Stuttgart ja auch noch eine Sue Jin Kang, Bridget Breiner, Julia Krämer, Yseult Lendvai, Alicia Amatriain und Katja Wünsche hätten!

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