Jo Ann Endicott in „Gala-Abend“

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Karlsruhe, 07/03/2002

Jo Ann Endicott, das war einmal die Identifikationsfigur des Wuppertaler Tanztheaters in dessen frühen Jahren von 1973 bis 1987 – unvergessen in den Produktionen „Ich bring dich um die Ecke“, „Sieben Todsünden“, „Arien“ ... – um nur die Spitzen des Eisbergs in die Erinnerung zurückzurufen. Heute lebt sie in Karlsruhe, mit Mann und drei Kindern, ist inzwischen auch Buchautorin („Ich bring dich um die Ecke“, Suhrkamp 1999) – und nach wie vor Pina Bausch engstens verbunden, vornehmlich als Assistentin bei ihren Einstudierungen früherer Stücke, aber immer mal wieder auch als Tänzerin, in den Rollen, die sie kreierte.

Jetzt trat sie in einem Stück „Gala Abend“ auf, das sie mit dem Regisseur Istvan Bödy nach Franz Xaver Kroetzs „Wunschkonzert“ erarbeitet hat – in Karlsruhe-Durlach, einer ehemaligen Orgelfabrik – einem jener stimmungsmordenden Theaterschuppen, die heute totschick und kolossal „in“ sind.

Das achtzig Minuten lange Stück ist als „Komödie mit Tanz und Musik“ annonciert – sozusagen eine „Gala for One“. Und diese One ist eine Hausfrau, Anfang fünfzig, die beladen mit einem halben Dutzend Einkaufstüten vom Shopping in ihre ziemlich triste Wohnung zurückkehrt, sich dort deprimiert im Spiegel betrachtet, nervöse Blicke auf die Uhr wirft und den Tisch zu decken beginnt – doch der/die Erwartete lässt sie offenbar sitzen. Sie schminkt sich, wirft sich in Schale, stellt das Radio an, wo gerade ein Wunschkonzert mit den Ohrwürmern aus Oper, Operette und Ballett läuft – und verwandelt sich in Violetta, Verdis Kameliendame, kommt in Schwung, träumt sich von Figur zu Figur, geriert sich als Giselle, ist Don Giovanni und Zerlina, auch Wagners Abendstern, die Barcarolen-Giulietta, der Rosenkavalier, nicht zu vergessen die Lustige Witwe, Dornröschen und landet am Schluss wieder bei Violetta, doch nun sternhagelvoll, total derangiert, ein Häufchen menschlichen Elends, das sich unter eine Decke auf dem Sofa zurückzieht – eine Gescheiterte, eine vom Schicksal Geschlagene, die immer noch auf ihren Godot wartet.

Vielleicht ist diese getanzte, gesungene Tragikomödie ein bisschen zu lang geraten. Im Grunde handelt es sich um eine Folge von aneinander gereihten Sketches à la Pina Bausch, am nächsten kommt sie ihr in ihrem unappetitlichen Dornröschen im Waschzuber. Doch langweilig wird‘s nie, dafür sorgt schon ihre höchst individuelle Ausstrahlung, ihr Charisma – ihre warmherzige Menschlichkeit. Eine Powerfrau eben – auch in ihrer Verzweiflung und Frustration. Und noch immer eine formidable Technikerin. Jo Ann Endicott oder Sunset Boulevard von Karlsruhe-Durlach.

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