„Ich will nicht hübsch und lieblich tanzen“: der Palucca-Film

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Stuttgart, 29/08/2002

Ein fabelhafter Film! Er zeichnet in 56 Minuten ein ungemein vielschichtiges Porträt von Palucca – dem Menschen in all seinen Widersprüchen, der Tänzerin und Pädagogin – ihre Jugend in Dresden, die Anfänge bei Wigman, ihre steile Karriere als die so ganz andere Ausdruckstänzerin, ihre enge Freundschaft mit den Bauhaus-Künstlern, ihre Überlebensstrategien während der Nazi- und der noch schwierigeren DDR-Jahre – ihre so unglaublich vitale Alters-Serenität in den Improvisationsklassen mit jungen und jüngsten Schülern.

Vor allem aber vermittelt er einen Eindruck davon, wie der Tanz für sie zu einem Lebenselixier wurde – ihrer unbändigen Lust am Tanz, ihrer so ganz persönlichen, kraftvoll energetischen Art zu tanzen, ihrer Fröhlichkeit, ihrer ingeniösen Musikalität.

Als Autor hat es Ralf Stabel geschickt verstanden, ihren Zeitgenossen Kommentare über Palucca zu entlocken, die ihre Persönlichkeit umkreisen, wenn sie schon nicht zu deren Kern vorzudringen vermögen (da Palucca alle derartigen Versuche entschieden abzublocken verstand), und sie auf diese Weise gewissermaßen einzukreisen und zu orten: Neumeier vor allem, Schilling, Seyfferth, Siegert und ein gutes Dutzend andere.

Als Produzent hat Konrad Hirsch mit seiner Kamera und unter Zuhilfenahme von viel Archivmaterial (darunter auch zahlreiche bisher nicht zugängliche Aufnahmen) und seinem rhythmisch spannungsvollen Schnitt einen Film geschaffen, der den Beschauer mit einem Virus infiziert, den er nicht wieder loswird. Vor Ansteckung kann nur gewarnt werden. So schön war er also, der „German Dance“ in seiner großen Zeit! Vom 8. September an wird er im Dresdner Filmtheater Schauburg gezeigt, später auch in München (2. November), Kiel (16. November) und in der Berliner Akademie der Künste (20. November). Fernsehsendungen sind gegen Ende des Jahres im digitalen ZDF-Theaterkanal und auf 3sat geplant.

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