Frankfurt und der „Fall Forsythe“, Fortsetzung I

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Stuttgart, 07/06/2002

Ehrenrettung der Ballettstadt Stuttgart! Immerhin war es Stuttgarts Ballettchef Reid Anderson höchstpersönlich, der die weltweite Initiative „Save Ballet Frankfurt“ am 1. Juni mit seinem Brief an die „Financial Times“ gestartet hat, mit dem sich dann spontan so prominente Persönlichkeiten wie Trisha Brown, Valery Gergiev, Sylvie Guillem, Sir Peter Jonas, Jiří Kylián, Brigitte Lefèvre, Daniel Libeskind, Peter Martins, Mark Morris, Gerard Mortier, Ross Stratton und Makhar Vaziev solidarisch erklärt haben. In Stuttgart selbst ist die Nachricht von der drohenden Abwicklung des Balletts Frankfurt freilich nur peu à peu tröpfchenweise durchgesickert.

Inzwischen hat ein Gespräch zwischen Forsythe und der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth samt ihrem Kulturdezernenten Hans-Bernhard Nordhoff stattgefunden (siehe Tanznetz-News vom 3. Juni: „Vertragsverhandlungen zwischen William Forsythe und der Stadt Frankfurt – Einigung in Sicht?“). Laut Forsythe war es ein gutes Gespräch – und in diversen Interviews seither („Frankfurter Rundschau“ vom 4. und 7. Juni, „Die Welt“ vom 7. Juni) hat Forsythe erklärt, wie sehr ihm daran liegt, in Frankfurt weiter bleiben und ungestört weiter arbeiten zu können, „geistig arbeiten, nicht in einem ständigen Kampf, mitten im Wirbelsturm der Politik“).

Die Entscheidung über die Weiterexistenz des Balletts Frankfurt ist indessen keineswegs gesichert, obgleich die Politiker inzwischen um Schadensbegrenzung bemüht sind. Auch die CDU, die zunächst für eine Revision des lokalen Ballettangebots (größere Vielseitigkeit, Gastspielbetrieb mit anderen Kompanien, mehr Klassiker) eingetreten war, hat sich seit neuestem für einen Verbleib Forsythes stark gemacht. Neue Wolken scheinen indessen heraufzuziehen, wenn der Kämmerer der Stadt in der heutigen Ausgabe der „Frankfurter Rundschau“ erklärt, „die finanzielle Situation lasse keinen eigenständigen Haushalt für ein Ballett mehr zu. Deshalb werde in der Sitzung der städtischen Reformkommission am 11. Juni auch keine Etatsumme mehr für Forsythe genannt. Stattdessen müsse jetzt so schnell wie möglich eine Entscheidung des Magistrats über die Zukunft des Balletts fallen. Das solle möglichst am 14. Juni geschehen.“

Und es wetterleuchtet bereits, wenn der CDU-Fraktionschef und der SPD-Fraktionsgeschäftsführer verkünden, „dass sie für eine selbständige Sparte TAT keine Chance mehr sähen“ (bekanntlich ist Forsythe auch Intendant des TAT im Bockenheimer Depot und dessen Environment die bevorzugte Auftrittsstätte des Ballett Frankfurt). Im Klartext heißt das: kein Eigenetat mehr für Forsythe und das Ballett – also eine Rücknahme des Unabhängigkeitsstatus des Balletts im Gesamtverband der Städtischen Bühnen Frankfurt (den sich außer Frankfurt auch Hamburg, Stuttgart und München in langen Jahren mühsam erkämpft haben).

Das bedeutet nicht zuletzt, dass das Ballett Frankfurt den gleichen Sparzwängen unterworfen wird wie auch die Oper und das Schauspiel Frankfurt – ein Solidaritätsfall der besonderen Art. Man wird sehen, wie Forsythe darauf nach dem 14. Juni reagieren wird.

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