Stadttheater Bremerhaven

Ballettabend „Faust-Mephisto-Margarethe“

Bremerhaven, 11/10/2002

Schuberts Sinfonien und der Tanz – eine Liaison, die kaum je aufgeht: Die musikalischen Werke sind in sich geschlossen, außerordentlich vielschichtig unter ihrer schönen Oberfläche. Wer sich dennoch mit ihnen einlässt, der muss das Risiko eingehen, genialisch frech zu ihnen eine tänzerische Gegenposition aufbauen. Mitlaufen durch „Vertanzen“ lässt jede Choreografie armselig gegenüber Schuberts Schöpfungen aussehen. Jörg Mannes, Ballettchef in Bremerhaven, scheut sich nicht, für seine Produktion „Faust-Mephisto-Margarethe“ Sätze aus Schuberts Sinfonien 2,4,5 und 7 zu brechen, dem zweiten Teil unterlegt er die große Sinfonie in C-Dur (8). Das Unterfangen scheitert an Mannes Zaghaftigkeit, seiner Unfähigkeit, aus konventionellen Bewegungsbahnen auszubrechen. Er serviert eine Melange aus klassischem Schrittmaterial und „modernen“ ports de bras, die nirgendwo zu einem individuellen „Mannes-Stil“ zusammenwachsen. Übergänge werden kaum gestaltet, Entwicklungen versacken, Profile wachsen nicht heraus.

Brav buchstabiert Mannes Episoden des Dramas nach, ohne je deren Inneres zu erreichen. Die Verdreifachung der drei Hauptpersonen Faust, Mephisto und Margarethe bringt nur mehr Masse, keine tiefer gehende Klasse. Ein tänzerisch tragendes Äquivalent zur egozentrischen Verzweiflung des Faust, der diabolischen Komik des Mephisto und der reinen Naivität des Gretchens vermag er nicht zu finden. Bezeichnenderweise prägt sich nur jener Moment ein, in dem eine der Margarethen auf der in Lichtblau getauchten Bühne aus dem Hintergrund nach vorne schreitet und dabei suchend den Kopf nach links und rechts wendet: ein Bild der Verlorenheit. Das wirkt stärker als alles vorherige und folgende Gewusel, wie beispielsweise in der Walpurgisnacht: In Lackleder gewandet, winden sich Hexen, vollführen auch schon einmal Kopulationsgymnastik, die den Trieb eher tötet als anspornt. Mannes sollte vielleicht lieber zu Egks „Abraxas“ greifen, so abgestanden wirkt seine Spießbürger-Erotik aus der Mottenkiste.

Das praktikable Bühnenbild (Susanne Sommer) aus Stoffbahnen, die sich zu Kammern ordnen und nach rascher Verwandlung den Hintergrund strukturieren, schafft durchaus Räume und Stimmungen. Hartmut Brüsch führt das Orchester zu einer weich konturierten, aber gut durchhörbaren Interpretation. Im Tanzensemble, konzentriert, wenn auch mit vielen technischen Unsauberkeiten agierend, ragen wenige heraus: Gregory Le Blanc besticht als einer der Fauste mit blitzsauberer Technik und schöner Spannung (auch als rüde abgestochener Valentin mit Todestanz à la Mercutio), ein Tänzer mit Zukunft. Mariane Joly als Margarethe 2 zeigt kraftvolle développés, sichere Drehungen, an Bühnenpräsenz wird sie sicher noch zulegen.

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