Prinz Hamlets Tänze

Joachim Schlömer „Der Choreograph, Regisseur und Tänzer“

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3SAT, 20/10/2001

Nicht nur die üblichen zwei, sondern drei Seelen wohnen außer in seiner Brust auch in seinem Kopf und in seinen Füssen. Entsprechend untertitelt Norbert Beilharz seinen Film „Prinz Hamlets Tänze“ über Joachim Schlömer „Der Choreograph, Regisseur und Tänzer“ (am Samstag, um 20.15 im 3SAT-Fernsehen).

Und mit seinen sichtlich viel malträtierten Füssen beginnt er: bei den Proben zu seiner „Hamlet“-Produktion im Ballettsaal des Basler Theaters, dem Schlömer bis zum Ende der letzten Spielzeit als Tanztheaterchef angehörte – vor sich als „freier“ Theatermann eine erst vage sich abzeichnende Zukunft. Von dort aus geht der Blick zurück auf fünf Jahre harter Arbeit – nicht nur in Basel, sondern auch in Stuttgart (als Regisseur von „Hoffmanns Erzählungen“ und „Rheingold“) und am Wiener Burgtheater.

Deutlich wird die Ruhelosigkeit und Vielseitigkeit eines, der immer auch das Gegenteil, die Kehrseite von dem sieht, womit er gerade befasst ist. Schlömer ist ein Mann ohne Stil, weil er ein Polystilist ist, der für jede neue Aufgabe nach neuen Ausdrucksmitteln sucht (im Gegensatz zu Beilharzens Behauptung gibt es aber doch in fast allen Stücken wiederkehrende choreografische Formelemente – am auffallendsten die parallelen Gruppen-Gegenbewegungen, reliefartig geschichtet, quer über die Bühne). Schlömer ist ein ausgesprochen musikmotivierter Choreograf – auch wenn es manchmal schwerfällt, sich auf sein Musikverständnis einzulassen (zum Beispiel in seinem „Herbst“-Ballett zu Musik von Schubert), mit einem Spektrum, das von Monteverdi (vielleicht sein schönstes Ballett: „La guerra d´amore“) über Strawinsky, Ives (vielleicht sein groteskestes Ballett: „Central Park in the Dark“) und Ustvolskaja bis zu den Textcollagen der Surrealisten (Artaud: „Die Nervenwaage“) reicht.

Der knapp anderthalb Stunden lange Film vermittelt einen splendiden Eindruck über seine Lebens- und Kunstphilosophie, verifiziert anhand zahlreicher Ausschnitte aus seinen Basler Stücken, und präsentiert Schlömer als einen Tanzerfinder der wachen Intellektualität, der wohl auch in Zukunft noch manche Überraschung für uns parat hält.

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