Mussorgskys „Chowanschtschina“

oe
Zürich, 22/10/2001

Auf dem Besetzungszettel der Opernpremiere wird kein Choreograf genannt – wohl aber erscheinen nach dem Chor fünfzehn Namen von Damen als Ausführende des Tanzes der Persischen Sklavinnen. Erst im Nachspann der sonst noch Beteiligten heißt es choreografische Mitarbeit: Kinsun Chan. Bescheidenheit ehrt zwar den Choreografen (früher einmal Mitglied des Zürcher Balletts), macht aber doch auch wieder den Stellenwert deutlich, den man seiner Arbeit beimisst – und das an einem Opernhaus, das über eine der potentesten Ballettkompanien im Lande verfügt (keine der namentlich genannten Tänzerinnen ist Mitglied des Zürcher Opernballetts)

Der Tanz der Persischen Sklavinnen dauert acht Minuten und wird von Fürst Iwan Chowanschtschin angeordnet – er dient dazu, ihn zu animieren. Dazu treten zwei Gruppen auf, die erste ganz in Weiß, die sich sehr bald ihrer züchtigen Umhüllungen entledigt und in ihren Dessous den Fürsten erotisch zu stimulieren versucht. Dann treten die ganz in Schwarz gehüllten, bis auf die Augen verschleierten Musliminnen auf, hochhackig, mysteriös – und sehr viel sinnlicher als ihre freizügigen Kolleginnen. Der Kontrast zwischen beiden Gruppen ist markant herausgearbeitet und dient der Steigerung des schwülen Lustklimas, das aber vor seinem Höhepunkt beim Auftritt eines unerwarteten Gastes jäh abbricht. Das ist professionell arrangiert, sicher nicht sonderlich originell, trägt aber spürbar zur Verdichtung der dramatischen Situation bei.

Vor allem aber: hier sind acht Minuten hochkarätiger Mussorgsky, leicht exotisch-fernöstlich timbriert (und eine der wenigen Nummern der Partitur, die Mussorgsky selbst instrumentiert hat – den Rest hat Rimski-Korsakow besorgt) – viel zu schade, um, wie sonst meist, gestrichen zu werden. Dafür dem Zürcher Operndirektion unseren Dank, der darüber hinaus der ganzen Produktion gilt, die Mussorgskys Volksdrama in seiner strotzenden Fülle als das erscheinen lässt, was es ist: die Opernapotheose der russischen Seele!

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