Compagnie Montalvo-Hervieu

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Ludwigsburg, 11/09/2001

Ausgerechnet an Amerikas schwärzestem Tag Frankreichs derzeit wohl lustigste und humorvollste Kompanie bei den Ludwigsburger Festspielen (anstelle der ursprünglich angekündigten Sydney Dance Company). Die Frage war, ob die Vorstellung überhaupt stattfinden sollte, und man selbst war ja hin und her gerissen angesichts der stündlich eintreffenden Schreckensmeldungen aus New York und Washington. Doch der Veranstalter und die Choreografin erklärten, dass sie sich gerade in dieser Situation herausgefordert fühlten, sich zum Leben, zum Fest des Lebens und seiner Vitalität zu bekennen, und genau als das verstand es auch das Publikum, das die sechzehn Künstler am Ende mit Ovationen geradezu überschüttete. Ich ahnte nicht, was da auf mich zukommt und war am Schluss fasziniert – für mich hätte die Spielzeit gar nicht besser beginnen können. Ich kann mich nicht erinnern, Vergleichbares gesehen zu haben.

Auf dem Programm „Le jardini io io ito ito“ frei nach Max Ernst – das Ganze eine Collage von knappen Sketchs, ein dadaistischer Mix aus Tanz, Zirkus, Varieté, aus Artistik und Equilibristik, aus live Performance und Videoprojektionen, mit den fantastischsten Fabelwesen, Tieren mit Menschenköpfen und Menschen mit Fischleibern, der Zusammenprall der konträrsten Tanzstile und -welten aus China, Afrika, von den Antillen, aus Kamerun, aus Hip-Hop, Breakdance, Flamenco, Barock und Klassik, abgespult in einem irrsinnigen Tempo, achtzig Minuten sich überschlagender Einfälle, ein Pfeifduo eines Tänzers mit sich selbst, Rossinis Rosina-Arie gegurgelt von einer Tänzerin, zwei Männer, die in ihren Stühlen sitzend Saltos praktizieren, einer, der ins Publikum stiert und verkündet: „Was mich betrifft, so tanze ich in meinem Innern“, die waghalsigsten Balancen und Flugsprünge und und und...

Und alles hatte einen tänzerischen Kern. Soviel Tanz war nie. José Montalvo, in Valencia 1953 geboren, ist der Kopf hinter diesem „Event“, verantwortlich für die Choreografie und Videokonzeption, seine wohl hauptsächlich choreografische Kollaboratrice Dominique Hervieu ist Französin und stammt aus der Normandie. Was wohl in den Köpfen dieser Tänzer-Artisten an diesem Abend vor sich gegangen sein mag, die gerade vor ein paar Monaten im Rahmen des Festivals „Dances with France“ in New York gastiert hatten. Ach hätten wir doch auch bei uns eine Kompanie, die so ungeniert schiere Tanzlust kommuniziert!

 

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