Bayerischer Theaterpreis an John Neumeier

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München, 29/11/2001

Die Bayerische Theaterakademie August Everding verleiht ihren Preis in der Sparte Ballett in diesem Jahr an John Neumeier – speziell für seine „Nijinsky“-Produktion. Eine besonders glückliche Entscheidung, wie mir scheint. Einmal weil ich dieses Ballett für eine Kreation von Welttheater-Format halte. Es hat ja seit Béjarts „Nijinsky, Clown de Dieu“ vor dreißig Jahren eine Unzahl von Balletten über diesen Ausnahmetänzer gegeben (mit am nachhaltigsten hat sich unter ihnen Dietmar und Gregor Seyfferts Solo „Clown Gottes“ zu Strawinskys „Sacre“ meinem Gedächtnis eingeprägt), doch ist mir kein anderes bekannt, das sich mit der Komplexität dieser Neumeier-Kreation vergleichen könnte (in der, man vermutet, nicht zuletzt ein gutes Stück Neumeier-Autobiografie steckt).

Auch weiß man inzwischen, wie dieser Nijinsky als Idée fixe Neumeiers ganzes Leben durchzieht, deren andere Manifestation seine umfangreiche Hamburger Nijinsky-Sammlung ist, die wohl größte Privatsammlung von Nijinskyana irgendwo in der Welt. Es kommt hinzu, dass dieser Preis von der Bayerischen Theaterakademie vergeben wird, die ja den Namen August Everding in ihrem Titel führt. Everding aber war es, der bei seinem Engagementsantritt als Intendant der Hamburgischen Staatsoper 1973 Neumeier von Frankfurt nach Hamburg holte – und liebend gern hätte Everding, der Neumeier wie einen Ziehsohn in seine Familie aufnahm, Neumeier mit nach München genommen, als er dann 1977 dort Intendant der Bayerischen Staatsoper wurde. Dem hat sich Neumeier verweigert, ist in Hamburg geblieben und hat dort sein viel bewundertes Ballett-Imperium aufgebaut.

Neumeier hat sich indessen revanchiert, indem er in dem folgenden Vierteljahrhundert der Münchner Staatsoper einen großen Teil seiner Hamburger Kreationen überlassen hat, so dass sich das Bayerische Staatsballett rühmen kann, nach Hamburg über das größte Neumeier-Repertoire zu verfügen. Doch die Achse Hamburg-München reicht heute noch weiter – mittels Ivan Liška, der den größten Teil seiner Karriere als Tänzer bei Neumeier in Hamburg absolviert hat, durch ihn entscheidend als Künstler geprägt worden ist, und der nun in der vierten Spielzeit das Bayerische Staatsballett leitet. So krönt der Bayerische Theaterpreis 2001 eine Ballett-Städtefreundschaft, die in Deutschland bisher einmalig ist. Unseren Glückwunsch nach München!

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