„Der Besuch“ von Jörg Mannes. Cassia Lopes - Joseph Gray - Tommy Rous - Demis Moretti

„Der Besuch“ von Jörg Mannes. Cassia Lopes - Joseph Gray - Tommy Rous - Demis Moretti

Der Besuch beim „Besuch“

Pick bloggt über die Vorstellung von Jörg Mannes im Rahmen des Tanzkongresses 2016

Es wäre kaum schöner denkbar, wenn sich dieses Stück für verdiente Tänzerinnen zum Höhepunkt einer Karriere entwickeln könnte.

Hannover, 19/06/2016

Seit Yvonne Georgi die Staatoper Hannover verließ, habe ich nicht mehr solch einhellige Zustimmung erlebt, wie nach der Vorstellung „Der Besuch“, der am 14. Mai Premiere hatte und den Jörg Mannes nun im Rahmen des Tanzkongresses 2016 präsentierte. Lothar Höfgen, der außergewöhnliche deutsche Béjart-Tänzer und Choreograf, einer ihrer Nachfolger, beklagte, dass Georgis Geist immer noch in den Mauern dieses Traditionshauses hänge. Am Rande sei erwähnt, dass Yvonne Georgi – wie Tatjana Gsovsky – in den späten Jahren dem Spitzentanz huldigte in Kombination mit zeitgenössischer Musik, ganz im Trend der Zeit.

Diesen Geist muss Jörg Mannes nicht fürchten, er huldigt in gewisser Weise der Tradition des Ausdruckstanzes, indem er das Schauspiel des Dramatikers Dürrenmatt als Vorlage für ein abendfüllendes Tanztheater verwendet im Sinne der Tradition der Komischen Oper Berlin unter Tom Schilling und Walter Felsenstein. Und wenn ich den Begriff hier verwende, muss man natürlich an die neue Interpretation des Begriffs Tanztheater, der die Arbeit von Pina Bausch zu einem Markenbegriff veränderte, denken. Und wenn ich schon an Pina erinnere, werde ich gleich darauf hinweisen, dass Pina eine Idealbesetzung für die Hauptrolle dieses Stücks gewesen wäre, aber sie wollte sich ja nicht mehr verwandeln in einen anderen Bühnencharakter, denn nachdem Kurt Jooss das Folkwang-Tanztheater aufgab, traute sie keinem Choreografen mehr, mit ihr zu arbeiten und erforschte ihre eigene komplizierte Persönlichkeit und die ihrer Tänzer mit diesem neuen, eigenartigen, absolut anderen Tanztheater.

Ich muss gestehen, als ich davon hörte, dass Jörg Mannes sich dieses Stücks annehmen wollte, hatte ich größte Bedenken, ob dieses Stoffes, der ein wenig im Geist von Bertolt Brechts Lehrstücken eine spießige Welt beschreibt, die käuflich bis ins Mark ist und ich fürchtete, dass er sich daran verheben würde. Ich kenne diesen begabten Choreografen seit seiner Anfängerzeit in Bremerhaven, die ihn auch durch seine vorsichtige und kluge Ensemblepolitik über Linz schließlich nach Hannover führte.

Genau das ist ein Trumpf, den er in diesem Fall ausspielen konnte, weil er sich auf die zwei Protagonisten, mit denen das Stück steht und fällt, verlassen konnte. Eine Heroine wie Cássia Lopes hatten wir seit Tilly Söffing nicht mehr, es sei denn, man würde sich Marcia Haydée in dieser Rolle vorstellen, aber auch für sie hat niemand wirklich Hauptrollen gefunden, die in ihrer späten Zeit aufregend gewesen wären.

Nach dieser Paraderolle der unvergessenen Therese Giese und dann etwas später Elisabeth Flickenschild haben sich alle reifen Schauspielerinnen die Finger geleckt und es wäre kaum schöner denkbar, wenn dieses Stück auch für verdiente Tänzerinnen sich zum Höhepunkt einer Karriere entwickeln könnte. Ähnliches gilt für die männliche Hauptrolle, den spießigen Güllener Jugendfreund Alfred Ill der Claire Zachanassian, der sie mitsamt Kind sitzen lässt, um eine andere Gutsituierte zu heiraten. Auch Denis Piza ist eine Idealbesetzung, ein reifer, gutaussehender Mann, wie die Partnerin Cássia, die bei der Wiederbegegnung aus einem verkrusteten Alltag, ob im Glanz der Haute Volée oder heruntergekommener Kleinbürgerwelt, neues Leben in ihren Adern pulsieren spüren. Leider bemerkt der Liebhaber – wenn überhaupt – zu spät, dass er zum Spielball der Lokalpolitik wird und die ehemalige Geliebte, in einem sehr schön choreografierten Trio mit der jugendlichen Claire, zwar auch ihren gequälten Gefühlen nachgeben möchte, aber doch ein eiserner Wille zur Rache stets bei dieser schönen Frau im Hintergrund bleibt.

All das ist hervorragend wortlos zu verstehen. Auch die anderen Mit- und Gegenspieler sind als Charaktere gut eingeführt und choreografisch gezeichnet, wozu die hervorragenden Kostüme das ihre beitragen. Ein fast abstrakter sich nach hinten verjüngender Bühnenraum hilft dem Regisseur die Spielorte zu benennen und eine Gangway macht hervorragende Auftritte möglich für die angereiste Millionärin, die massenweise Geld unter die Spießer streut – alle sind käuflich.

Die gelben Schuhe, an die ich mich erinnere aus der Schauspielinszenierung, die der Autor vorschlägt, werden durch schicke Garderobe ersetzt. In dieser choreografischen Adaption werden Überzeichnungen in eine Normalsituation verwandelt, die guttut und ich denke, das ist es, was das Publikum zu würdigen weiß, wie auch die Musikauswahl vom Band, von den verschiedensten Komponisten, die weder rückwärts gerichtet ist noch sich neutönerisch gibt. Alles in allem einfach stimmig!

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