„Tanz kann Menschen verbinden“
Zum Aktionstag am Brandenburger Tor: Ein Interview mit Michael Freundt, Geschäftsführer des Dachverband Tanz
Michael Freundt, Geschäftsführer vom Dachverband Tanz Deutschland, über die herben Rückschläge für den Tanz bei der Bundesförderung
Der Tanz musste mit den gestrichenen Förderungen den Staatsminister für Kultur und Medien etwa für das Bündnis internationaler Produktionshäuser oder explore dance ein paar herbe Rückschläge hinnehmen. Was bedeutet das für den Dachverband Tanz Deutschland?
Dass diese beiden starken Netzwerke keine Bundesmittel mehr erhalten, schwächt die Tanzszene enorm. Wieder einmal gehen langfristig aufgebaute Strukturen verloren, verlieren Künstler*innen ihre home base, sind auf vereinzelte Projekte angewiesen. Mit einer Initiative Tanz haben wir in den letzten Monaten intensiv für eine generell stärkere Tanzförderung geworben. Uns geht es in dieser Initiative – z.B. im TANZPAKT – um bessere Strukturen im Tanz für exzellente künstlerische Strukturen und als Produktionsstrukturen für Tanzschaffende. Es geht nicht allein darum, Projekte zu realisieren, sondern z.B. auch mit dem Nationalen Performance Netz Projekte wesentlich häufiger, nachhaltiger präsentieren zu können.
Generell werben wir mit der Initiative Tanz für eine eigenständige Tanzförderung, die alle Bedarfe des Tanzes im Blick hat, in der freien Szene wie in den Stadt- und Staatstheatern – von Ausbildung und Tanzpädagogik, über die Kunst bis hin zu Tanzpublizistik und Tanzarchiven.
Wie kann sich der Tanz besser an den offenbar wechselnden Förderprioritäten auf Bundesebene einstellen?
Zuerst einmal setzt Kulturstaatsminister Wolfram Weimer Prioritäten beim Kampf gegen Rechts und gegen Antisemitismus, da können auch Tanzschaffende sehr gut mitgehen. Museen und Filmförderung – da wird es schon schwieriger. Förderung für Kulturbauten – da haben wir eine Initiative für Tanzhäuser vorgeschlagen, aber die aktuell zusätzlich bewilligten 120 Mio.€ fließen als Deckung der Mehrkosten in laufende Bauprojekte für andere schon bestehende Kulturorte.
Wenn es um die lebendige Kunst geht, um Tanz und Tanzvermittlung, dann ist mein Eindruck bisheriger Gespräche, dass der Staatsminister diesen Bereich einfach nicht auf dem Schirm hat. Kulturbauten werden nur lebendig, wenn sie mit Menschen, mit Künstler*innen verbunden sind. Der Kampf gegen Rechts wird nicht allein medial gewonnen, sondern muss mit kultureller Teilhabe, mit Begegnung, Diskurs, auch mit künstlerischen Mitteln geführt werden.
Wolfram Weimer wird die Verleihung des Deutschen Tanzpreises besuchen, das sehe ich als große Wertschätzung des Tanzes, und da werden wir sicherlich ins Gespräch kommen.
Sind diese erfolgten Bundeskürzungen auch Signale an die Länder und Kommunen? Bisher war das Bild ja uneinheitlich. Während etwa NRW seine großen Kürzungspläne zurückgenommen hat, steht das Tanznetz Dresden auf der Kippe, da im bisherigen Haushaltsentwurf die Fördersumme auf Null steht.
Die Länder sind in den letzten Monaten aktiver geworden, haben z.B. als Ko-Finanzierung für TANZPAKT, NPN und explore dance ca. 13 Mio.€ bereitgestellt. Der Bund hat darauf leider gar keine Antwort. Deshalb haben Dachverband Tanz Deutschland und die Initiativgruppe Tanzförderung den Appell an die Bundespolitik gestartet. Wir fordern die Bundespolitik auf, dieses Angebot der Kommunen und Länder mit gleicher Stärke zu beantworten.
Der Bund steht da leider gar nicht im Dialog mit den Ländern. Auf Bundesebene hat die SPD ihr Konzept des kooperativen Kulturföderalismus, in dem Bund und Länder zusammenwirken, aufgegeben und die CDU interessiert sich scheinbar nicht mehr für die Freiheit der Künste, für die Kunst als Teil der bürgerlichen Gesellschaft. Jedenfalls werden Tanzkünstler*innen, Strukturen für den Tanz nicht gestärkt – aber auch die anderen Künste sind im Bundeshaushalt 2026 kaum bedacht.
Eine Neuerung in der letzten Zeit waren ja die Stadt-Land-Bund-Projekte, bei denen alle Ebenen der Kulturförderung gemeinsam fördern. Die nächste Runde wurde gerade beschlossen, aber ziehen auch da angesichts der klammen Kassen dunkle Wolken am Horizont auf?
Wenn für die gesamte Republik nur 1,9 Mio. € an Bundesmitteln bereitstehen, dann ist das einfach viel zu wenig. Dann konnten beim TANZPAKT zehn Projekte gefördert werden, aber teilweise auch mit stark gekürzten Beträgen. Es ist dann ein enormer Kampf, dass die Förderungen der Länder und Kommunen erhalten bleiben. Denn mit den dreijährigen Projekten, die bei TANZPAKT beantragt werden, sind eine Vielzahl von Künstler*innen, Produzent*innen, Tanzvermittler*innen verbunden. Jetzt konnten enorm wichtige inklusive Projekte, Ensembles im urbanen Tanz, Tanzräume, neue Projekte der Ensembles an den Stadttheatern nicht gefördert werden.
Während die Tanzprojekte gekürzt wurden, konnte der Fonds Darstellende Künste, die ja auch Tanzprojekte fördern, seinen Etat verteidigen. Müsste man nicht hier auch neue Allianzen suchen, um den Tanz geeinter darzustellen? Oder bräuchte es einen eigenen Fonds Tanz?
Es braucht einen eigenen Tanzfonds. Zur Diskussion mit dem Fonds würde ich mich nicht öffentlich äußern. Aber wir gehen gerade in eine Allianz mit Chance Tanz, dem Förderprogramm von Aktion Tanz im Rahmen von „Kultur macht stark“.
Welchen Rat geben Sie gerade den kleinen und mittleren Kompanien und Einzelkünstler*innen, die ja meist nur auf Projektförderungen setzen können und denen durch die gestrichenen Bundesförderungen wichtige Koproduktionsmittel der Häuser fehlen?
Ich glaube, es ist jetzt wichtig, in den Städten, bei den Kulturämtern und Länderministerien als Tanzszene sichtbar zu bleiben, gemeinsam mit den Abgeordneten in Stadträten und Länderparlamenten für den Erhalt der Förderungen zu streiten. Und, wo möglich, solidarisch Ressourcen zu teilen.
Zu guter Letzt: Wie steht es um die finanzielle Situation des Dachverbands selbst. Schlagen die Kürzungen auf das Budget durch und reichen die Mittel, um die Entwicklung der Tanzszene zu betreuen und voranzutreiben?
Aktuell haben wir eine stabile Situation, einen sehr engagierten Vorstand und ein starkes Team. Aber es eine große Herausforderung, alle Bedarfe im Tanz – nicht nur in der freien Szene – zu sehen und strukturiert aufzugreifen. Es geht nicht allein um Förderung, es geht um rechtliche Sicherheit für Selbständige, um Umsatzsteuerthemen. Und mit unserer kulturpolitischen Arbeit bleiben wir ja nicht nur auf Bundesebene, wir engagieren uns mit den Landesverbänden und Tanznetzwerken auch vor Ort, z.B. in Nordrhein-Westfalen, in Sachsen, in Hannover, in Dresden und Berlin.
Tanz als Fundament unserer kulturellen Zukunft stärken – gemeinsam mit Ländern und Kommunen!
Tanz ist eine zentrale Kraft unserer Kultur. Er verbindet Menschen über sprachliche und soziale Grenzen hinweg, stiftet Gemeinschaft, ermöglicht Teilhabe und wirkt weit in die Gesellschaft hinein.
Die Politik vor Ort hat diese Stärke des Tanzes und sein enormes künstlerisches und soziales Potential erkannt. Deshalb haben Länder und Kommunen rund 13 Mio. Euro im Rahmen der INITIATIVE TANZ zugesagt.
Nun erwarten Fördergeber und Tanzszene gleichermaßen, dass auch der Bund substanzielle Mittel bereitstellt. Denn nur so können sich künstlerische Exzellenz im Tanz, kulturelle Teilhabe und gesellschaftlicher Zusammenhalt nachhaltig entfalten.
Wir appellieren an die Bundespolitik: Stärken Sie den Tanz – mit einer Bundesförderung, die dem starken Engagement von Ländern und Kommunen entspricht!
Kommunen und Länder bekennen sich!
Bundesweite Programme wie TANZPAKT Stadt-Land-Bund, das NATIONALE PERFORMANCE NETZ und explore dance– Netzwerk Tanz für junges Publikum haben gezeigt, dass wirksame Bundesförderung nachhaltige Strukturen schafft.
Kommunen und Länder leisten hierbei den maßgeblichen Beitrag: Rund 13 Mio. Euro fließen in die Förderschwerpunkte der INITIATIVE TANZ – während der Bund bislang lediglich mit
1,9 Mio. Euro beteiligt ist.
Unter diesen Bedingungen können diese Programme ihre Wirkung kaum entfalten.
Die Folgen sind gravierend:
Tanz: Motor kultureller Bildung und sozialer Teilhabe
Der Tanz zählt seit Jahrzehnten zu den innovativsten Bereichen der deutschen Kulturlandschaft – in Metropolen ebenso wie auf dem Land. Rund 15.000 Tanzschaffende arbeiten in den 60 Stadt- und Staatstheatern, ca. 1.000 freien Ensembles und 5.000 Tanz- und Ballettschulen. Zwei Millionen Menschen besuchen jährlich Tanzaufführungen, drei Millionen tanzen selbst.
Trotz dieser Breite und Wirkungskraft entfallen von 3 Milliarden Euro Förderung der Kommunen, Länder und des Bundes für Theater, Tanz und Orchester nur sieben Prozent auf den Tanz. Die Folgen sind unübersehbar: Immer mehr Künstler*innen geben auf. Ballett- und Tanztheaterensembles werden immer weiter verkleinert. Angebote für junge Menschen wie auch für marginalisierte Gruppen geraten zunehmend unter Druck. Die über Jahre aufgebaute Expertise geht dem Tanz und der Gesellschaft verloren.
Für die freien Tanzschaffenden verschärft sich die Lage zusätzlich: Prekäre Arbeitsbedingungen werden zur Regel. Kurzfristige Projektförderungen führen dazu, dass verlässliche wirtschaftliche Perspektiven, faire Honorare und stabile Arbeitsstrukturen systematisch unterlaufen werden.
Gleichzeitig geraten Tanzschulen und Tanzprojekte aufgrund ungeklärter rechtlicher Rahmenbedingungen und der geplanten Umsatzsteuer für Bildungsangebote in akute Existenznot.
Kooperativer Kulturföderalismus ist unverzichtbar
Der Kulturföderalismus lebt vom Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen. Bundesmittel haben hier eine zentrale Hebelwirkung: Sie machen die bundesweite und internationale Bedeutung exzellenter Tanzkunst sichtbar, würdigen die erheblichen Investitionen der Länder und Kommunen und ermöglichen Förderungen, die ohne Bundesbeteiligung gar nicht erst zustande kämen.
Doch aktuell zieht sich der Bund aus dieser Verantwortung zurück – und gefährdet damit nicht nur gewachsene Strukturen, sondern die gemeinsame Grundlage einer zukunftsfähigen Kulturpolitik. Wir warnen eindringlich: Eine Abkehr von dieser Zusammenarbeit ist eine Abkehr vom gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Unser Appell
Wir fordern den Bund auf, die Initiative der Länder und Kommunen entschlossen aufzugreifen:
1. Stärken Sie die Förderung des Tanzes – auf Augenhöhe mit Ländern und Kommunen, nachhaltig, verlässlich, strukturell.
2. Sichern Sie klare und rechtlich tragfähige Rahmenbedingungen für Tanzschaffende und Bildungseinrichtungen.
3. Bauen Sie bundesweite Programme aus – für eine kooperative und zukunftsfähige Kulturpolitik.
Der Tanz ist ein Herzstück unserer Kultur. Geben Sie ihm die finanzielle und politische Unterstützung, die er braucht – und die unsere Gesellschaft verdient.
Initiativgruppe Tanzförderung: Bundesdeutsche Ballett- und Tanztheaterdirektor*innen Konferenz, Bureau Ritter gUG, Dachverband Tanz Deutschland e.V., Joint Adventures / NPN,
K3 – Zentrum für Choreographie I Tanzplan Hamburg, nrw landesbüro tanz, Tanzbüro Berlin, TanzNetz Baden-Württemberg e.V.
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