Ballettabend „Recycling II“ / „White Line“ von Alex Kros. Tanz: Ensemble

Ballettabend „Recycling II“ / „White Line“ von Alex Kros. Tanz: Ensemble 

Spuren auf dem Boden und in der Seele

Ballettabend „Recycling II“ feiert am Oldenburgischen Staatstheater Premiere

Mit dem Ballettabend „Recycling II“ präsentiert Antoine Jully am Oldenburgischen Staatstheater einen Abend mit drei choreografischen Handschriften, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Allen gemeinsam ist die künstlerische Beschäftigung mit dem Thema Form.

Oldenburg, 23/01/2024

Während der griechische Gastchoreograf Alex Kros in „White Line“ eine Choreografie in anfänglich düsterer Stimmung entwirft, die sich im Laufe des Stückes mehr und mehr aufhellt und eine Linie, eine Schranke überschreitet, die zu einem leichteren, hoffnungsvolleren Tanz/ Leben führt, bewegt sich Antoine Jullys Choreografie in durchweg heiterer, ja augenzwinkernder Art durch die „Fearful Symmetries“ von John Adams. Jully fügt den musikalischen Reihungen schnell wechselnde Szenen in knallbunten Kostümen hinzu, die mit den Farben des Bühnenbildes korrespondieren.

Das interessante Bühnenbild dieses Abends – genau wie die Kostüme aus den Beständen des Theaters übernommen und neu interpretiert – steuert wieder der griechische Bühnenbildner Georgios Kolios bei. In „White Line“ sind das auf fünf hellen Hängern im Hintergrund farbig gestaltete Kratzer und Spuren von den vielen Schritten der Tänzer*innen, wie sie auf jedem Tanzteppich der Welt nach einer gewissen Zeit der Nutzung zu sehen sind. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich Alex Kros‘ Tanz zunächst in Soli, dann in Duos und Ensembles: der Choreograf verbindet Spitzentanz mit eindeutig klassischen Motiven auf moderne Art mit weicheren zeitgenössischen Elementen zu einer feinen, zunächst zurückhaltenden und dann im Verlaufe des Stückes immer freier werdenden, von vielen runden, spiralförmigen Bewegungen getragenen Tanzsprache, die stilvoll und lyrisch daher kommt und von den sechs Tänzer*innen des Oldenburger Ensembles mit Hingabe getanzt wird.

Und wie sieht Recycling bei den Kostümen aus? In den „Fearful Symmetries“ entstehen nach einem beherzten Griff in den Kostümfundus (Kostüme Heather Rampone-Gulder) aus Unterröcken, Schlipsen, Strumpfhosen und Geschirrspültüchern durch Umfunktionieren witzige, bunte z. T. skurrile Kostüme, in denen sich die Tänzer und Tänzerinnen wie Fantasy-Figuren durch die temporeiche Choreografie ihres Chefs tanzen. Immer angetrieben von den dynamischen Rhythmen der – bei Choreograf*innen sehr beliebten – Musik von John Adams. Den sich stets wiederholenden 4-er und 8-ter Phrasen der Musik setzt Jully mit Esprit und Humor viele kleine Szenen in seinem ganz eigenen, elaborierten Choreografie-Stil entgegen, die wiederum durch das Bühnenbild zu einem sehr unterhaltsamen Ganzen werden. Auf- und abfahrende farbige Wände spiegeln horizontal oder vertikal das Geschehen.

Einen ganz anderen, weniger ästhetischen, mehr psychologischen Zugang zum Thema wählt der Münchner Choreograf Dustin Klein in seinem „RE- Movement“- er verfolgt Spuren in der Seele, die Träume in uns Menschen hinterlassen. Der Choreograf entwickelt aus den ihm anvertrauten Träumen der Tänzer*innen ein Szenario, das einerseits die verschiedenen Ängste und Visionen tänzerisch darzustellen versucht, andererseits die Inhalte in textualisierter Form von einem Schauspieler über eine Soundcollage sprechen lässt: „Ich laufe, aber ich komme nicht vom Fleck“ – wer kennt nicht diese unangenehme Situation im Traum oder „Etwas kennt Dich besser als Du“ – eine enigmatische Begegnung mit unserem „besseren Ich“ in der Nacht?

Die Thematik scheint das Publikum – trotz der zum Teil sperrigen Tanzsprache Kleins – sofort anzusprechen und bietet ja auch eine breite Palette von Assoziationsmöglichkeiten. Die Electronica Musik entwickelt zusammen mit z. T. sehr großformatigen Live-Videoeinspielungen einen Sogcharakter: die geschlossenen Augen der Solistin Elizabeth Cohen über der Szene bewegen sich unaufhörlich wie in der REM-Phase des Schlafes – das Thema berührt … Doch werden die Videos zu wenig in einen dramaturgischen Gesamtzusammenhang gebracht und bleiben zum Teil beim optischen Effekt stehen. Trotzdem zeigt „RE-Movement“ eine große innere Qualität, besonders die lange Schlussszene, in der Elizabeth Cohen von gleich drei Tanzpartnern durch den Raum getragen wird und wie durch ihre Träume fliegt, ist von großer poetischer Kraft. Dustin Klein hat gute Ideen für starke Bilder, die allerdings choreografisch noch besser ausgearbeitet werden könnten. Das Publikum war durchweg beeindruckt.

 

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