„I am not in a room“ von Wilde&Vogel und Choreographia [Inter] Austriac

Von Tänzern und Figuren

„I am not in a room“, eine Arbeit zu Emily Dickinson, hat im Westflügel Leipzig Premiere

In der Performance von Wilde&Vogel und Choreographia [Inter] Austriac treffen Tanz, Figurenspiel und Live-Musik aufeinander. Gelingt das Rendez-vous?

Leipzig, 09/09/2022

Figurentheater trifft Tanz, das war das erklärte Ziel des Figurentheaters Wilde&Vogel aus Leipzig und Choreographia [Inter] Austriaca aus Linz mit ihrer Produktion „I am not in a room“, die jetzt im Westflügel Leipzig das Bühnenlicht der Welt erblickte. Der Abend widmet sich der amerikanischen Dichterin Emily Dickinson, auch die titelgebende Zeile stammt aus einem ihrer Werke. Dickinson lebte von 1830 bis 1886 in Amherst/Massachusetts und hat rund 2000 Gedichte verfasst, die aber erst nach ihrem Tod entdeckt und veröffentlicht wurden. Einigen davon versuchen der Tänzer Kai Chun Chang, der Figurenspieler und -bauer Michael Vogel sowie die Musikerin Charlotte Wilde sich zu nähern und sie zum Ausgangspunkt der eigenen Arbeit zu nehmen. Die Choreografie erarbeitete Rose Breuss, wobei sie auf Bewegungsmotive von Ted Shawn zurückgriff. Das Ergebnis ist ein filigraner und inhaltlich sehr offener Abend, der in seiner Fusion von Tanz, Figurenspiel, Musik, Gesang und Lyrik durchaus an Grenzen stößt, ohne dies aber selbst zu erkennen.

Da wäre zunächst die Musik, die den Rahmen bildet. Charlotte Vogel ist da ja eine Meisterin ihres Fachs und kreiert mit Synthesizer, Loop-Maschine, Elektro-Geige und Alltagsgeräuschen einen sehr vielfältigen Sound. Mal sampelt sie das packende, an Filmmusik erinnernde New Dance Op. 18B von Wallingford Constantine Rigger, mal loopt sie munter Tropfengeräusche oder greift eben selbst zum Instrument, um einen mal federnden, mal zupackenden Elektrosound zu generieren. Dazu singt sie einen Großteil der Gedichte mit dem Preis, dass diese inhaltlich kaum noch zu erfassen sind (sie sind aber im Abendzettel nachzulesen).

Feingliedrige Figuren wie Spinnen oder Skelette mit glitzerndem Schweif am Rumpf fährt Michael Vogel auf und orientiert sich dabei durchaus an Motiven Dickinsons. Zumal erweist er sich als Lichtmeister, der einen großen Scheinwerfer im Vordergrund treffsicher manipuliert. Es ist, wie immer bei Vogel, ein Spiel mit Feinheiten, kleinen Effekten und großen Wirkungen, wo morbides und humoristisches wirkungsvoll aufeinandertreffen. Kai Chun Chang verkörpert nun Emily Dickinson, die diese Geister heraufbeschwört. Mal im Rock, der zum Turban wird, und mal schlicht mit nacktem Oberkörper im Glitzerhöschen (Kostüme: Valentina Shurkal) nimmt er sich den Raum, den er braucht und davon ist auf dieser leeren Bühne mit den direkt angrenzenden Wänden eine Menge zu haben. Erst barfuß im angedeuteten Spitzentanz, später mit expressiven, geradezu artistischen Einlagen, wenn er etwa in die Brücke geht, und immer wieder im Dialog mit der Wand, tanzt er verschiedene Freiheitsgrade. Beim Agieren der Figuren heißt es aber oft Abwarten.

So findet ein Dialog zwischen Figuren und Tänzer nur sehr bedingt statt. Einmal gelingt es, wenn das große Schattenspiel der Spinnenkörper dank innovativer Beleuchtung auf den Körper übergeht und er immerhin die Schattenmuster in seinen Tanz aufnehmen kann. Doch so verharren beide Kunstformen in einer Form des Umschleichens und Belauerns, ohne aber die eigenen Komfortzonen zu verlassen. Im Ergebnis bleibt so alles episodisch. Das schmälert den mitunter schön-meditativen Charakter des Abends nicht, aber bleibt doch unter den Möglichkeiten, die eine solche Kooperation bieten könnte.

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