Ja, renn nur nach dem Glück
„Will happiness find me?“ am Theater Bremen
Uraufführung von „Santa Barbara“ von Samir Akika / Unusual Symptoms im Theater Bremen
Santa Barbara ist der Name einer kalifornischen Kleinstadt und Inspiration für eine der berühmtesten Seifenopern der 1980er Jahre. Unter dem Titel California Clan erreichte sie auch in Deutschland ein Millionenpublikum. Im neuen Stück von Hauschoreograf Samir Akika ist Santa Barbara der Name für einen Ort zwischen den Welten, den wir irgendwie alle kennen. In einer nachgebauten Filmkulisse lässt er ein Ensemble von sieben Tänzer*innen Film-)Fiktionen wie „echten“, persönlichen Erinnerungen tänzerisch nachgehen.
Eine Frau kommt aus einer Art Bad oder Sauna in ein leeres Zimmer, macht Workouts auf dem weißen Plüschteppich, kleidet sich an, schaut durch ein Fenster in eine mögliche Ferienlandschaft. Sonnenuntergang und Palmen. Sie wirkt entrückt, bewegt sich vorwärts, rückwärts. Erinnerungen kommen auf. Nach und nach bringen zwei Tänzer Requisiten herein. Ein Doppelbett, ein Fernseher, ein Klapptisch, ein Nachtschränkchen. Bewegungen werden minimal zu Tanz. Die Kulisse wie die angedeuteten Kontaktaufnahmen wirken unpersönlich, wie in einem Hotelzimmer.
Das Bühnenbild von Irene Ip überzeugt, hält Variationen bereit und wird gut eingesetzt. Eine große bewegliche Schachtel, die den Blick nach innen freigibt, wie in ein Puppenhaus, eine Filmkulisse. Weitere Akteur*innen erscheinen, mal allein, mal mehrere. Einige verbindet eine gemeinsame Geschichte, andere befinden sich in eigenen Erinnerungen, die parallel ablaufen und plötzlich in einem Bild für eine Weile einfrieren. Viele Aktionen wirken isoliert und einsam, auch wenn alle sieben Tänzer*innen im Bühnenraum gemeinsam agieren. Oft wird es dann gespenstig.
Wessen Geschichte hier zwischen Saunagang, Ehestreit, verblassenden Familienfotos und einem Beerdigungsritual erzählt wird, bleibt ungewiss. Schließlich wandeln wir Menschen doch alle zwischen Fiktionen und Realitäten, mag man da denken. Wer weiß schon, wie selbst ein nahestehender Mensch, dieselbe Situation, die man zusammen erlebt hat, wahrnimmt und später erinnert? Wie entscheidend ist diese Wahrheit für unser Leben? Und dreht es sich von Geburt bis zum Tod nicht ohnehin bei allen um die gleichen existentiellen Nöte und Fragen? Während des ganzen Abends schwebt ein Sarg über der Kulisse.
Samir Akika lässt auffallend viel Streetdance in seine Arbeit einfließen und nutzt, wie gewohnt, Assoziationen und Referenzen aus Film und Tanz. Vom goldenen und neuen Zeitalter Hollywoods bis hin zu Szenen aus dem modernen Tanz blitzt Bekanntes auf. In einer grotesk-schönen Beerdigungsszene findet sich beispielsweise eine neue Variante des „Seasons March“ von Pina Bausch, wo die Tänzer*innen die immer gleichen Rituale über die Jahreszeiten und die Vergänglichkeit zelebrieren.
Die Musik von Shane Fee, Reika Hattori und Colma Ni Bhriain gibt der Ästhetik sowie der Dramaturgie in „Santa Barbara“ einen überzeugenden Soundtrack. Mal wird das Stück zum Krimi, dann wieder zum sphärischen Gruselfilm. Aber auch die Livedarbietungen von Keyboard und Violine faszinieren immer wieder für sich. Und dazwischen singen auch mal Tänzer*innen.
Akika versteht es, unterschiedliche Kunstsparten zusammenzubringen. Der Bühnenraum wirkt bei ihm oft wie eine große Spielwiese. In „Santa Barbara“ lösen sich gar die Grenzlinien zwischen Bühne und Zuschauerraum. Es wird von der Bühne gerollt, heruntergesprungen und hinaufgeklettert.Doch mit knapp zwei Stunden ohne Pause, ist die Choreografie leider viel zu lang und überfordert mit Fülle und Wiederholungen. Sie findet keinen Schluss. Und so wenig verdichtet, bleibt sie leider am Ende oberflächlich, ein wirres Knäuel, das ermüdet. Schade, dass damit gute Ideen und schöne Bilder verblassen.
Noch keine Beiträge
basierend auf den Schlüsselwörtern
Please login to post comments