„RECORDS“ von Cie. Mathilde Monnier

Lockdown als Inspirationsquelle

„RECORDS“ von Mathilde Monnier bei Impulstanz

Wie kann man sich der Leere, die sich in den ersten Monaten der Pandemie breit machte, stellen? Wie kann man wieder in eine Beziehung zueinander treten? Die französische Choreografin Mathilde Monnier versucht in „RECORDS“ Antworten auf diese Fragen zu finden.

Wien, 15/07/2022

Eine gut zwei Meter hohe weiße Wand, fast so breit wie die Bühne, nimmt die Rückseite derselben ein. Darüber eine Videoprojektion eines zuerst wolkenverhangenen Himmels. Im Laufe des Stückes verziehen sich die Wolken, blauer Himmel und gleißendes Sonnenlicht sind zu sehen. Hin und wieder fliegt ein Vogel durch das Bild. Es scheint, dass die Außenwelt normal weiterläuft, während die Menschheit drinnen eingesperrt ist.

Bereits im Mai 2020 begann Mathilde Monnier am Bewegungsmaterial für „RECORDS“ zu arbeiten, noch ganz geprägt vom ersten Lockdown und das schlägt sich nun stark in ihrer Choreografie nieder, wie bei der Österreichischen Erstaufführung zu sehen war. Nach und nach treten die sechs exzellenten Tänzerinnen – mit nacktem Oberkörper und bekleidet mit langen blauen Hosen sowie Sneakern – auf und suchen sich ihren Platz auf der Bühne. Zunächst verharren sie abwartend in unterschiedlichen Posen. Ganz so, wie man im März 2020 zum Nichtstun verdammt war.

Immer wieder lehnt sich jemand gegen die Wand, die in ihrer konstanten Festigkeit eine gewisse Form von Sicherheit bietet. Doch die Sicherheit wird langsam zu einer Mühsal. Die Tänzerinnen beginnen rhythmisch mit den Füßen gegen die Wand zu klopfen und auf den Boden zu stampfen, versuchen sich an der Wand hochzuziehen, um einen kurzen Blick auf die andere Seite zu erhaschen. Man bekommt das Gefühl, dass sich Lagerkoller breit macht und das obwohl die Tänzerinnen immer wieder einmal die Bühne verlassen.

Langsam wird das Bewegungsvokabular tänzerischer, der Bühnenraum wird erobert. Doch auch wenn die Tänzerinnen scheinbar miteinander tanzen, bleibt immer ein Abstand zwischen ihnen. Eine Körperlichkeit entsteht nicht, es finden nur Selbstumarmungen statt. Beziehungen zueinander werden über Blicke und gegenseitiges Zuschauen aufgebaut. Mit der Zeit beginnen sie, ihre Bewegungen mit Lauten zu begleiten. Es scheint, als ob sie eine neue Sprache erfinden möchten. Die Kombination von Bewegung und Lautmalerei führt zu comicartigen Szenen, zwischendurch wirken die Tänzerinnen wie Avatare in einem Computerspiel. Oder greift gar aufkeimender Wahnsinn um sich? Provoziert durch zu viel Einsamkeit, zu wenig Möglichkeiten, sich zu bewegen, zu viel Nichtstun?

Kurz bevor der Wahnsinn überhandnimmt, kehrt wieder scheinbare Normalität ein, es kommt zu einem kurzen, befreienden Finale. Nach 55 Minuten, die teilweise lähmend wirkten, bleibt man ratlos zurück. Dachte man anfangs, dass Monnier aus den Gefühlen, die der erste Lockdown bei ihr hinterlassen hatte, etwas Neues entstehen lassen wollte, so denkt man am Ende, dass man lediglich die Auswirkungen eines Lockdowns im Zeitraffer gesehen hat.
 

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