Wer bin ich?

Willi Dorner / Mani Obeya mit „ME – NMU – AMI“ beim ImPulsTanz 2022 in Wien

Was macht die Persönlichkeit des Tänzers Mani Obeya aus? In seinem Solo versucht er gemeinsam mit Willi Dorner diese Frage zu beantworten.

Wien, 10/07/2022

Von Paul M. Delavos

Wer sich in den letzten Jahrzehnten mit zeitgenössischem Tanz in Wien beschäftigt hat, ist an Mani Obeya nicht vorgebeigekommen. Er tanzte unter anderem unter Liz King beim Tanztheater Wien und an der Volksoper Wien, war Gast bei der Forsythe Company sowie Darsteller in „Gootopia“ der Wiener Choreografin Doris Uhlich. Das ist natürlich nur ein kleiner Ausschnitt einer umfangreichen Tänzerbiographie.

Bereits am zweiten Abend der 39. Ausgabe von ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival Wien, die mit einem fulminanten Gastspiel des Tanztheater Wuppertal und Pina Bauschs Stück „Vollmond“ gestartet ist, fand im Kasino am Schwarzenbergplatz die erste von insgesamt 15 Uraufführungen statt. Entstanden ist das Solo „ME –NMU – AMI“ aus Gesprächen zwischen Mani Obeya und dem Wiener Choreografen Willi Dorner – ebenso Urgestein der Wiener Tanzszene. „Nmu“ und „Ami“ bedeuten ebenso „ich“ in zwei nigerianischen Dialekten, denn Obeya ist in Nigeria geboren und in Großbritannien aufgewachsen.

Obeya nimmt das Publikum mit auf eine knapp einstündige Reise durch sein (Tänzer-)Leben und endet mit einer kleinen Überraschung – vor allem für diejenigen, die sich nicht so genau mit seiner Biographie auseinandergesetzt haben und denen Obeya nur als Tänzer ein Begriff ist. Gleich zu Beginn legt er eine fulminante Steppeinlage hin. Danach geht’s im Schnelldurchlauf durch seine Kindheit. Bereits mit zehn war er das Gesicht einer Werbekampagne. Das schützte ihn ein bisschen vor dem Alltagsrassismus, dem er früh ausgesetzt war.

Das sehr textlastige Stück wird immer wieder durch Tanzeinlagen unterbrochen. So erinnert sich Obeya an unterschiedliche klassische Variationen, die er getanzt hat, wie zum Beispiel den Blauen Vogel in „Dornröschen“ aber auch „Le Corsaire“. Da wird einerseits beschrieben, wie das Solo aussieht, andererseits markiert und ausgetanzt. Hier erkennt man, welche tänzerischen Qualitäten der 1969 geborene Tänzer hat und gehabt haben muss.

Einen großen Raum nimmt das Thema „dancer of color“ ein. Er hatte immer das Gefühl, doppelt so hart arbeiten zu müssen, um etwas zu gelten – auch während seiner Zeit beim Dance Theatre of Harlem. Er nennt das eine „black tax“ und stellt dem Publikum die Frage, ob es nun auf der Bühne einen „Tänzer“ oder einen „dancer of color“ sieht. Denn für ihn hatte vieles, was er getanzt hat, nicht wirklich mit ihm als Person zu tun beziehungsweise mit der Tatsache, dass er ein „dancer of color“ ist.

Deshalb ist es schade, dass man letztlich wieder das Gefühl bekommt, dass auch für dieses Solo nur an der Oberfläche der sehr vielschichtigen Persönlichkeit von Mani Obeya gekratzt wurde und dass man auch nach diesem Abend noch immer nicht wirklich sagen kann, wer der Tänzer Obeya ist.

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