„Cowboys“ von Sebastian Weber

Westernhelden und Stepp-Romantik

„Cowboys“ mit der Sebastian Weber Dance Company am LOFFT in Leipzig

Wie die Cowgirls und die Cowboys aufdrehen, überdrehen und am Ende steppend einsam abdrehen.

Leipzig, 17/10/2018

Stepptanz und Ballett, näher beieinander, als man denkt? Immerhin, es gibt beim Stepptanz schon gewisse Vorgaben, es gibt die Technik der flinken Füße in den speziellen Schuhen mit den Metallplatten, die es möglich machen, den Tanz in Klang zu wandeln, bestenfalls bis hin zur perfekten Perkussionskunst. Es gibt das Solo und das Duo, unterschiedliche Varianten können daraus erwachsen und es gibt die Gruppe. Man kann mit diesem Tanz Geschichten erzählen, man kann es auch lassen und mit dieser klangintensiven Tanzkunst bildhafte Assoziationen entstehen lassen und weit über bekannte Klischees, die sich im Wesentlichen aus dem unterhaltenden Genre herleiten, hinausgehen.

Der in Leipzig lebende und arbeitende Tänzer und Choreograf Sebastian Weber gilt inzwischen als einer der anerkannten Spezialisten für die Formate des Stepptanzes, besonders, weil er die Facetten dieser Kunstform immer stärker in der Ästhetik zeitgenössischer Tanzkunst zu nutzen versteht. Er selbst spricht davon, dass dieser Tanz in den Traditionen des Jazz Tap verwurzelt sei, was aber durchaus nicht dem Anliegen widerspreche, ihn in zeitgemäßen Formen auf die Bühne zu bringen. Das ist in der neuesten Produktion der Sebastian Weber Dance Company mit dem Titel „Cowboys“, für sieben Tänzerinnen und Tänzer und drei Musiker, die im Leipziger LOFFT erfolgreich Premiere feierte, gelungen.

Erstaunlich ist vor allem, wie viele Facetten dann am Ende doch eine Variante dieser Tanzkunst möglich macht, die man zumeist nur mit inzwischen auch schon historischen Filmlegenden oder der Revuekunst verbindet – mal abgesehen von so grandiosen Steppszenen wie der des Hutmachers in Christopher Wheeldons „Alice’s Adventures in Wonderland“, vor allem so grandios getanzt wie von Steven McRae, oder der inzwischen ja schon legendär gewordenen Szene des Tänzers Michael O’Hare als Will Mossop in David Bintleys „Hobson’s Choice“.

Jetzt stellt Sebastian Weber mit „Cowboys“ ein abendfüllenes Stück vor, vier Tänzerinnen, also ‚Cowgirls‘ und drei Tänzer, dazu drei Musiker, die live agieren und auch schon mal ganz direkt einbezogen werden in das Geschehen. Ein Geschehen, bei dem keine Geschichte im eigentlichen Sinne erzählt wird, aber dennoch kraft der tänzerischen und gestalterischen Assoziationsbreite auf Anhieb individuell zu verortende Geschichten durch die Köpfe tanzen dürften.

Ja klar, es gibt sie, diese Klischees, diese Westernhelden, bei denen die Waffen locker sitzen, dazu die Heldinnen, bei denen die Knöpfe an den Blusen locker zusammenhalten, was in die Freiheit drängt. Und auch die Auftrittsaccessoires der ‚Boys‘ und ‚Girls‘ bedienen bekannte Klischees, werden aber im Verlauf des Abends abgelegt. Aus Cowboys und Cowgirls werden junge Männer und junge Frauen, die sich bestenfalls auf den Weg machen werden, um zu sich selbst zu finden und sich von Bildern, die sie sich übergestülpt haben, zu befreien.

Aber zunächst ist Stimmung angesagt, das Selbstbewusstsein feiert sich im Stepptanz, dazu Schlagwerk, E-Piano und Gitarre. Der Sound mischt sich mit dem der Körperinstrumente. Und in der Gruppe sind die Einzelnen ganz stark. Das ändert sich, wenn auf blanker Sohle gesteppt wird, wenn die Töne des Tanzes sensibler werden, wenn die zunächst sich üppig feiernde Energie der Selbstdarstellung sich stärker auf die jeweilige Individualität, also auf das ‚Selbst‘ und nicht auf dessen hohle Darstellung besinnt. Und das mit hochsensibler Bein- und Fußarbeit, man möchte für Momente von ‚Stepp-Romantik‘ sprechen, von gesteppter Zärtlichkeit. So als versuche man gegen die um sich greifenden Dimensionen der Selbstzerstörung, bei denen auch schon mal Tänzerinnen oder Tänzer ganz bildlich gesehen, auf der Strecke bleiben, anzutanzen.

Am Ende, wenn die krachigen Heldenmythen sich erledigt haben, wenn eben jene schon angesprochene Suche beginnt, wenn der Tanz Töne wiedergibt, die schon wirken wie Momente der Verinnerlichung, dazu Bewegungen und Haltungen der Körper, die von meditativer Kraft sind, dann wird deutlich, dass diese krachige Flucht in ein selbstdarstellerisches Heldentum eben eine Flucht ist, und kein Weg.

Aber dass diese Dance Company auf dem Weg ist, das ist nicht zu übersehen. Dass sie mit dieser speziellen und so individuell belebten Tanztechnik sehr eigene Wege in den Labyrinthen zeitgenössischer Tanzlandschaften finden könnte, nimmt man erfreut wahr und auch, leider erst so richtig in der Zugabe zu gewitzten Klängen eines Minipianos, dass der Humor auf diesen Wegen nicht auf der Strecke bleiben sollte.

 

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