Auf gutem Wege

Die Werkstatt der Kreativität zeigt das hohe Niveau der Ballettschule des Hamburg Balletts

In ihren choreografischen Abschlussarbeiten zeigen die SchülerInnen der Ballettschule des Hamburg Ballett ein beeindruckendes tänzerisches Niveau. Nachdenklich stimmt dagegen die Melancholie, die die meisten Stücke kennzeichnet.

Hamburg, 12/03/2016

Es ist inzwischen eine gute Tradition geworden, dass die Theaterklassen VII und VIII der Ballettschule des Hamburg Ballett John Neumeier Ende Februar/Anfang März eigenen Choreografien auf einer öffentlichen Bühne zeigen. 2016 geschah das schon zum siebten Mal – dank der guten Zusammenarbeit mit dem Ernst-Deutsch-Theater unter der Leitung von Isabella Vértes-Schütter. Die choreografischen Arbeiten gehören zur Abschlussprüfung der angehenden Tänzerinnen und Tänzer im Fach „Tanz-Komposition“. Damit alle Arbeiten drankommen, wurden die Aufführungen in zwei Tranchen mit jeweils 10 Stücken geteilt, die an drei aufeinander folgenden Abenden gezeigt wurden. Das Haus war jeweils gut gefüllt – und zeigte das große Interesse, das Hamburg auch der Ballettschule entgegenbringt.

Wenn man beide Abende in ihrer Gesamtheit betrachtet, so wurden zwei Dinge deutlich: 1. Das durchgehend sehr hohe tänzerische Niveau, das für die gute Ausbildung an der Schule unter der pädagogischen Leitung von Gigi Hyatt spricht. 2. Die Nachdenklichkeit, teilweise auch die Tristesse, die diese Jugendlichen offenbar dominiert. Denn die Mehrzahl der jeweils etwa fünf Minuten langen Stücke war von bemerkenswerter Melancholie gezeichnet. Das zeigte sich vor allem im jeweiligen Motto, das die SchülerInnen sich selbst für ihre Arbeiten gesetzt hatten: „Man muss die Dunkelheit kennen, um das Licht schätzen zu können“ (Rachel Wilton); „Wenn Hoffnung das letzte ist, was du verlierst, was passiert danach?“ (Borja Bermudez); „Spannung zwischen den Menschen kann nicht vermieden werden, was auch immer wir tun“ (Lea Mercurol); „Was passiert mit uns, wenn wir fühlen, dass der Tod naht? Was kommt nach dem Tod? Sind wir allein? Nein, wir sind nie allein.“ (Simone Dalè); „Das Leben ist wie eine Welle. Es gibt Höhen und Tiefen.“ (Mengting You); „Dunkelheit und Abhängigkeit sind das Ergebnis von Einsamkeit und Schwäche“ (Natsuka Abe); „Ein Mann kehr verwundet aus dem Krieg heim. Er kämpft mit den Dämonen, die ihn seitdem heimsuchen.“ (Landon Harris). Kein einziges Werk war von der überschäumender Lebensfreude, Frische und Kraft, die Jugendlichen sonst so eigen ist (abgesehen von dem leider sehr banal-trivialen und antiquierten „Young at heart“ von Oliver Cooper). Wie sehr muss die Lage in der Welt diese jungen Menschen bedrücken? Wo ist der Gegenpol zu den Schrecken von Krieg, Flucht und Vertreibung? Wo sind Zuversicht, Hoffnung, Liebe?

Choreografische und darstellerische Begabungen zeigten sich allerdings deutlich bei einigen dieser insgesamt 37 jungen Tänzerinnen und Tänzer. Das choreografisch sicher stärkste Werk stand ganz am Schluss der Aufführungsserie: „Ultimatum“ von Filip Clefos. Sein Motto lautete: „Wie kann man wissen, dass sich etwas richtig anfühlt, oder wie lang dauert es festzustellen, dass es nicht die Art ist, wie es sein sollte?“ Souverän und mit einer stets aufs Neue überraschenden Bewegungssprache komponierte er die sieben Tänzerinnen und Tänzer zu immer wieder neuen Ensembles – das war ebenso beeindruckend wie gekonnt. Herausragend auch „The Silent Cry“ von Mariá Huguet, der sich unter dem Motto „Wer sind wir, wenn wir verlieren, was uns am wichtigsten ist?“ Gedanken machte über das, was den Menschen in seinem Kern ausmacht. John Hewitt hat mit „Ad Astra per Aspera“ ein bemerkenswert reifes Stück ebenfalls für sieben TänzerInnen vorgelegt. Es stand unter dem Motto „Ad Astra per Aspera ist die Spannung, die wir erleben, wenn wir die Balance herstellen wollen zwischen der Anpassung an die Gesellschaft und unserem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung“. Borja Bermudez gelang ein expressiver Pas de Deux unter dem Titel „Hold on“, fein getanzt von Natsuka Abe und Ricardo Urbina, der selbst mit „Complex Desire“ für zwei Tänzer und eine Tänzerin ein sehr dichtes, in sich schlüssiges Werk kreierte. Darin bestach die hochgewachsene Chinesin Ziyue Liu ebenso wie in dem Solo „Gemini“ von Zhixu Chang als Frau mit zwei verschiedenen Persönlichkeiten; und auch ihr eigenes Stück „Bist du wirklich hier?“, in dem ein Mann zwischen Fantasie und Realität hin und her pendelt, war durchsetzt von vielen schönen Einfällen und einer zwingenden Stringenz.

Rundum also doch bei aller nachdenklichen Getragenheit ein höchst erfreuliches Szenario einer erfolgreichen Aufbauarbeit im Hamburger Ballettzentrum.
 

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