„It is always just a show“

Tabea Martin mit „Beyond Indifference“ in der Kaserne Basel

Überraschend und unterhaltsam ist die Anzahl an Typenklischees der Popmusikkultur, die Tabea Martin um das Thema Identität auffächert. In der Choreografie versteckt sich jedoch so manche kritische Frage.

Basel, 12/12/2016

Eine Band tritt auf. Alle tragen durchsichtige weiße Leggings, enge Tops, weiße Langhaarperücken und bunte Stöckelschuhe. „Hi“, begrüßen sie das Publikum, „we are the...“ – ein ganz normaler Konzertanfang. Doch es ist kein Konzert, das auf der Bühne der Kaserne Basel stattfindet, und es sind auch keine Musiker, die sich da voller Hingabe ihren Instrumenten widmen. Die sechs Tänzerinnen und Tänzer in Tabea Martins neuer Choreografie „Beyond Indifference“ schlüpfen an diesem Abend in viele Rollen. Denn Identität und ihre Manipulation sind das Thema der vielfach ausgezeichneten Schweizer Choreografin. Wie dünn die Trennlinie zwischen Wahrheit und Lüge ist, wird rasch deutlich, wenn die Performer beginnen, mit ihren KollegInnen ihre Familienkonstellation darzustellen. Das ist ein Benennen und Schieben, ein Aneignen und Aufzwängen unterschiedlichster Identitäten. Wie Spielfiguren schieben sich Maria Demandt, Paula Alonso Gomez, Tamara Gvozdenovic, Kiyan Khoshoie, Carl Staaf und Donath Weyeneth gegenseitig durch den Raum. Um sicherzugehen, dass das Motto nicht übersehen wird, prangt noch ein großes rosa schimmerndes „LIAR“ an der Rückwand, der weiß gehaltenen und nur mit einer Kleiderstange versehenen Bühne (Nico de Rooij). Am Ende wird es mit einem angehängten „S“ zum Plural.

Überraschend und unterhaltsam ist die Anzahl an Typenklischees der Popmusikkultur, die Tabea Martin auffächert. Alle paar Minuten tritt eine neue ‚Band’ auf, zeigt sich eine neue Musikrichtung und mit ihr die passende Performeridentität. Für die Musik verantwortlich ist Donath Weyeneth, der es schafft, immer genau auf der Grenze zwischen Klischee und Übertreibung, zwischen Persiflage und Ernsthaftigkeit zu bleiben. Eine beeindruckende Performance zeigen Tamara Gvozdenovic und Kyian Khoshoie, die die wechselnden Rollen im wahrsten Sinne des Wortes ‚verkörpern’. Weniger unterhaltsam, aber dafür umso eindringlicher ist die Choreografie. Kaum eine Bewegung entsteht durch einen inneren Impuls. Ausgelöst durch Berührung, durch kraftvolles Schubsen, Schieben, Heben und Drehen werden die TänzerInnen bewegt. Und das mit unterschwelliger Aggressivität. Vorsichtige, langsame oder gar einfühlsame Momente sucht man vergebens. Identität wird gemacht, sie wird geformt, sie wird übergestülpt und wieder weggenommen.

Es geschieht viel in diesen knapp 60 Minuten, die mit einer mobilen Cocktailbar und frisch gemixtem Tequila Sunrise enden. Manchmal fragt man sich, wozu das alles gut sein soll. Und genau diese Verwirrung bringt es vielleicht noch einmal auf den Punkt: wozu dienen diese Identitäten, was anfangen mit dieser Fülle an nicht sortierbaren Informationen? So lässt einen „Beyond Indifference“ neben seiner bunten Popsatire, die für Lacher und Zwischenapplaus sorgt, nachdenklich zurück.
 

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