Rockiger Ballettabend in Hagen
Pick bloggt über die Choreografien von Marguerite Donlon, James Wilton und Ricardo Fernando
Wie soll denn das gut gehen? Rocken, dass die Wände wackeln und die Ohren dröhnen, vor einem Publikum aus seriös gekleideten Abonnenten, die die 50 zumeist weit hinter sich gelassen haben!? Aber so abwegig ist das gar nicht. Denn Ricardo Fernandos Tanzshow „Club 27“ erinnert an fünf Rockmusiker, die mysteriöser Weise allesamt Anfang der 1970er Jahre im Alter von 27 starben. 2011 ereilte Amy Winehouse dasselbe Geschick. Im übrigen: im Karneval ist bekanntlich alles erlaubt, und so wurde denn auch der zweite Hagener „Ballettabend“ der Saison ein überbordend ausgelassenes Ereignis diesseits und jenseits der Bühnenrampe.
Schon der freche Titel „Ballet? Rock it!“ hatte offenbar Grüppchen und Cliquen von „Mädels“ angelockt, die mit der Musik von David Bowie, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Amy Winehouse & Co. Bestens vertraut waren und womöglich Rasta Thomas und seine Dancing Boys aus New York mit ihrer fetzig akrobatischen Show „Rock The Ballet!“ genossen haben.
Auch in Hagen wird (wie in Hamburg und anderswo) nun also gerockt, was das Zeug hält. Die Tänzer geraten außer Rand und Band, witzeln in ihrer Muttersprache, vereinen sich in Jazz Dance-Formationen, wagen kurze HipHop-Einlagen und halsbrecherische Akrobatik. Es knistert erotisch – und das Publikum johlt am Ende und spendet minutenlange Ovationen.
Zwei Gastchoreografen von Rang bestritten den ersten Teil des Programms. Marguerite Donlon studierte ihre heutigen, per MP3-Player dauerbeschallten „Heroes“ für vier Tänzer und eine Tänzerin ein. Die Hagener mühten sich redlich, brachten auch einige Witzchen und Eskapaden zustande, angeheizt von Bowies Songs auch wohl kleine Improvisationen. So richtig wollte der Funke zwischen Choreografin und Ensemble jedoch wohl nicht überspringen. Längen und Leerlauf waren unübersehbar. Wie aus einem Guss dagegen ist James Wiltons Duett „Drift“. Tiana Lara Hogan und Brendon Feeney boten bei der Premiere zehn Minuten perfekt getanzte Paarbeziehung.
Hagens Ballettchef verbeugte sich mit den beiden Gästen und dem gesamten künstlerischen Troß dieses Gute-Laune-Abends im weißen Hemd und mit Hütchen ganz im Stil von Pharrell Williams („Happy!“). Grund zur Freude hat er allemal: Am 28. März erhält der Brasilianer für sein nimmermüdes Engagement um den Erhalt der Sparte Tanz am Theater Hagen in Essen den Anerkennungspreis des „Deutschen Tanzpreises“. Das Publikum hat er voll hinter sich. Am südlichen Rande des Reviers setzt er ein Glanzlicht.
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