Der Lüneburger Ballettdirektor Olaf Schmidt
Der Lüneburger Ballettdirektor Olaf Schmidt

Herzerwärmend und berührend

Einmalig: „Tanzabend vor dem Eisernen Vorhang – Olaf Schmidt hautnah“

Der Lüneburger Ballettdirektor wollte damit an eine Tradition aus den 1920er Jahren anknüpfen, in denen Solo-Abende gang und gäbe waren. Eine schöne Tradition – wie geschaffen gerade für die kleineren Bühnen, zu denen jenes Theater gehört.

Lüneburg, 16/02/2015

Als „Tanzmonopol“ war dieser Abend am 14. Februar im Lüneburger Theater angekündigt, als „Tanzabend vor dem Eisernen Vorhang – Olaf Schmidt hautnah“. Er habe einfach einige Stücke noch einmal tanzen wollen, erklärte Olaf Schmidt, als er vor Beginn der eigentlichen Vorstellung kurz vor den Vorhang trat, um zu erklären, was es mit diesem einmaligen Abend auf sich hatte. Er wolle damit an eine Tradition aus den 1920er Jahren anknüpfen, in denen solche Solo-Abende gang und gäbe waren. Eine schöne Tradition – wie geschaffen gerade für die kleineren Bühnen, zu denen auch das Lüneburger Theater gehört. Es wurde ein Abend, der das Herz erwärmte und die Seele berührte.

Zwischen die drei ersten Stücke bis zur Pause hatte Olaf Schmidt eine Filmdokumentation gesetzt – zur Information des Publikums, aber auch um selbst zwischen den Stücken Gelegenheit zum Verschnaufen und Umziehen zu bekommen. Der Film zeigt die Arbeit an Schmidts „I am not“ bei den IMPERFECT Dancers in Italien, einem Stück nach dem Roman „Alles, was wir geben mussten“ („Never let me go“) von Kazuo Ishiguro. Schwarz-Weiß-Film und Live-Aufführungen verweben sich so zu einem Gesamtkunstwerk, das einen tiefen Einblick in das Schaffen und die Persönlichkeit des Lüneburger Ballettdirektors erlaubt.

Olaf Schmidt beginnt mit „Pavane“ aus 2009 zu Musik von Maurice Ravel für Klavier und Bratsche. Es ist ein ebenso sanftes wie kraftvolles Solo voller fließender, weicher Bewegungen, die eine liebevolle Innigkeit ausstrahlen. Das hat so gar nichts Selbstverliebtes, dafür umso mehr Selbst-Verständliches und Selbst-Bewusstes und berührt mit seiner Innigkeit. Mindestens ebenso zwingend dann „Between Fear and Sex“ in der Choreografie von Scott Philips aus 1992 nach „Ne me quitte pas“ von Jacques Brel. Mara Sauskat ist hier die Frau, anfangs an den Stuhl gefesselt, später sich befreiend und selbst die dominante Rolle einnehmend. Sie und Olaf Schmidt stehen sich hier an Intensität in nichts nach – und zeigen höchst expressiv das ewige Wechselspiel um Liebe und Hass, um Macht und Ohnmacht, um Anziehung und Abstoßung.

Vor der Pause dann noch ein hinreißender „Schwanengesang“, ein Solo von Olaf Schmidt von 2011 zu Franz Schuberts „Ständchen“ in der Interpretation der Diseuse Georgette Dee und des Pianisten Terry Truck. Musik und Tanz verschmelzen hier auf heiter-melancholische Weise. Man wünscht sich dieses Stück auch einmal auf einer größeren Bühne zu sehen, um dem ganzen noch mehr Raum zur Entfaltung zu geben. Das gilt auch für „Die Blaue Brille“, Olaf Schmidts Pas de deux aus dem Jahr 1991 zu Richard Wagners „Siegfried-Idyll“ in der Interpretation von Glenn Gould. Zusammen mit Kerstin Kessel und einer Parkbank bietet Schmidt hier ein Paradestückchen über die Unmöglichkeit zweier Menschen, zueinander zu kommen – ebenso hintergründig wie humorvoll und melancholisch. Das trifft mitten ins Herz.

Mit diesem intimen Abend zeigte Olaf Schmidt einmal mehr, welch ein Glücksfall er für den Tanz gerade im Umfeld Hamburgs ist, der allzu leicht hinter der Strahlkraft des Hamburg Ballett in Vergessenheit gerät. Das Publikum belohnte Schmidt und die beiden Tänzerinnen mit begeistertem Beifall.

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