„Manon“ an der Pariser Opéra mit Aurélie Dupont

„Manon“ an der Pariser Opéra mit Aurélie Dupont

Das Ende einer Ära an der Pariser Oper

Aurélie Duponts Abschied in Kenneth MacMillans „Manon“

Kann das wirklich schon das Ende sein? Aurélie Dupont, letzte Vertreterin einer brillanten Generation an der Pariser Oper gibt am 18. Mai ihren Abschied in Kenneth MacMillans Handlungsballett „Manon“ aus dem Jahr 1974.

Paris, 11/05/2015

Kann das wirklich schon das Ende sein? Aurélie Dupont, letzte Vertreterin einer brillanten Generation an der Pariser Oper, deren männlicher Gegenpart Nicolas LeRiche letzte Spielzeit seine Abschiedsvorstellung in Roland Petits „Notre-Dame de Paris“ gab, hat nun ihrerseits die unverrückbare Pariser Altersgrenze von 42,5 Jahren erreicht und gibt am 18. Mai ihren Abschied in Kenneth MacMillans Handlungsballett „Manon“ aus dem Jahr 1974. Das höchst dramatische Ballett um ein leichtlebiges junges Mädchen, das ihren Geliebten Des Grieux für einen reichen Verehrer verlässt und schließlich als Prostituierte deportiert in Des Grieux’ Armen stirbt, erlaubt es der Ballerina, in zahlreichen Soli und Pas de deux das Porträt einer sehr komplexen Ballettheldin zu zeichnen.

Ungewöhnlicherweise für einen solchen Anlass wählte Dupont als Partner für ihre letzten Vorstellungen keinen hauseigenen Danseur Étoile, sondern den Italiener Roberto Bolle. Die Begegnung der beiden Startänzer, eine Premiere an der Pariser Oper, erwies sich als voller Erfolg. Es bedurfte keines geringeren Tänzers, um sich neben Aurélie Dupont zu behaupten, die heller strahlte als alle Diamanten, die ihr von ihrem reichen Verehrer G.M. um Hals und Arme gelegt wurden. Obgleich Bolle in den flüssigen MacMillan-Soli nicht ganz zuhause ist und er ob der – manchmal etwas übers Ziel hinausschießenden – Dramatik zuweilen in Hektik gerät, erwies er sich als nahezu perfekte Ergänzung zu Duponts sinnlicher, spielerischer, unwiderstehlicher Manon. Das Einvernehmen zwischen den beiden charismatischen Tänzern, die das Glück ihres Zusammentreffens anfangs kaum fassen können, wurde besonders in den höchst dynamischen Pas de deux deutlich, in denen sich Bolle als exzellenter Partner erwies. Er gab einen unschuldigen und naiven Des Grieux, der sich nur gegen erhebliche Skrupel ins Falschspiel treiben lässt und bis zum Ende von leidenschaftlichster Verehrung durchpulst ist. Diese Hingabe mag kaum verwundern, beim Anblick der inzwischen tänzerisch und darstellerisch über sich selbst hinausgewachsenen Dupont, die jede Nuance ihrer Rolle beherrscht und allen ihren Bewegungen einen Sinn zu geben versteht. Sie interpretiert die psychologisch komplexe Manon als souveräne Verführerin, die sich ebenso von Des Grieux’ Charme hinreißen lässt wie vom blendenden Luxus, den ihr G.M. zu bieten vermag.

Ein beeindruckendes Défilé an Étoiles in den Nebenrollen ehrte die scheidende Primaballerina, vom übersprudelnden Stéphane Bullion als Manons skrupelloser Bruder Lescaut (der vor allem in seinem „trunkenen“ Solo im zweiten Akt glänzte) zu seiner Geliebten Alice Renavand, die den Typus der vulgäreren Kurtisane brillant verkörperte und durch ihre virtuosen Soli Aufsehen erregte. Selbst die undankbareren Rollen des Monsieur G.M. und des unappetitlichen Gefängniswärters, der Manon im dritten Akt missbraucht (eine Szene, die aufgrund ihrer sehr expliziten Darstellung auch heute die ursprüngliche Schockwirkung nicht ganz verloren hat), wurden von einem perfiden Benjamin Pech und einem eisernen Karl Paquette interpretiert.

Angesichts dieser Glanzbesetzung erschienen selbst die Anfangsszenen des zweiten und vor allem des dritten Aktes, in denen MacMillan im Gegensatz zum charmanten Beginn des Balletts das Milieu allzu langatmig zeichnet, kurzweiliger als sonst. Das Orchester unter Martin Yates, der Leighton Lucas’ Arrangement von Massenet-Stücken neu bearbeitete, spielte auf durchgehend hohem Niveau. Man kann nur hoffen, dass Benjamin Millepied die Startänzerin, die ab nächster Spielzeit als Ballettmeisterin an der Pariser Oper tätig sein wird, bald wieder als Gast auf die Bühne holen wird.

 

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