„Triadisches Ballett“ von Oskar Schlemmer und Gerhard Bohner

„Triadisches Ballett“ von Oskar Schlemmer und Gerhard Bohner

Probe aufs Exempel

Das Bayerische Staatsballett II in Schlemmer-Bohners „Triadischem Ballett“

Die jungen Tänzer an alle Facetten und Entwicklungen der Tanzgeschichte heranzuführen, ist pädagogisch durchaus sinnvoll gedacht. Die Experimente des Malers und Bauhausbühne-Leiters Schlemmer, speziell sein „Triadisches“, waren ja wichtige Schritte in der Suche nach neuen theatralen Formen. So sehen wir hier eine ganz eigenwillige Kunst-Fashionshow.

München, 06/06/2014

Oskar Schlemmers berühmte „Bauhaustreppe“ von 1932 – 1975 übrigens auf einer bundesdeutschen Briefmarke zu sehen – zeigt übereinander gestaffelte Rückenfiguren beim Aufstieg einer lichten gewinkelten Treppe. Gedeutet wurde das Bild als Symbol aufstrebender Jugend. Jetzt durfte sich das aufstrebende junge Staatsballett II/Junior Company in einem Bühnenwerk Schlemmers erproben: in Gerhard Bohners 1977 neu inszeniertem „Triadischem Ballett“ von 1922. Staatsballett-Chef Ivan Liska und seine Frau Colleen Scott, Protagonisten der Bohner-Fassung, studierten ein. Viel Premieren-Beifall in der Münchner Reithalle.

Die jungen Tänzer an alle Facetten und Entwicklungen der Tanzgeschichte heranzuführen, ist pädagogisch durchaus sinnvoll gedacht. Die Experimente des Malers und Bauhausbühne-Leiters Schlemmer, speziell sein „Triadisches“, waren ja wichtige Schritte in der Suche nach neuen theatralen Formen. So sehen wir hier eine ganz eigenwillige Kunst-Fashionshow – zierlich-reduziert vorgeführt, soweit es das voluminös „raumplastische“ Kostüm zulässt: in ihrem Rock, steif wie eine umgestülpte Riesenschüssel, vollführt Nagisa Hatano gerade noch eine Arabesque. Zusammen mit Nicholas Losada, der in seinem „Taucher“-Outfit – Maske, Helm und rundum dicke Fransen statt Arme – verschwunden ist, gehen immerhin noch barocke Winz-Schritte und skurrile Hüpfer.

Danach schreiten und tänzeln die insgesamt sieben „Juniors“ in Holzkugel-Röckchen, Teller- und Drahtkringel-Tütüs vorbei, dick wattiert als harlekineske Prinzen, Clowns und Macht demonstrierende Machos. Mal nur statuarisch, mal temperiert bewegt, ab und an mit doch erstaunlich virtuosem Ballett-Vokabular. Es gibt sogar richtige Pas de deux, aus denen kurze Beziehungsgeschichten blitzen. Hans Joachim Hespos' 1977 auf Schlemmer-Bohner hin komponierte Klangkulisse spornt durchgehend an und kommentiert ironisch mit flötigem Trillern, Tastenzirpen, blechigem Qietschen und jazzigem Tutti-Aufschrei.

Die „Juniors“ machen ihre Sache nach Kräften auch recht gut. Aber das Schlemmer' sche Paradoxon sinnlich zu gestalten: nämlich die durch den Kostüm-Panzer beabsichtigte Bewegungsstarre und Entindividualisierung voll auszuspielen und sie dennoch aufzulösen in eine menschliche Regung, dazu hätte es wohl der Reife von älteren Tänzern bedurft. Ein paar Glücksmomente gab es immerhin. Bei Nagisa Hatano: mit ihrer fein phrasierten Bewegung und einem asiatischen Gefühl für Ritual, hebt sie den rein formalen „Spiral“-Tanz auf die Ebene poetischer Harmonie. Und wenn zwei in eine große goldene Profilscheibe eingelassene Tänzer sich dazu gesellen, ist auch erkennbar, welchen Einfluss Schlemmer (und um seine erneuernde Wirkung geht es letztlich) auf Künstler wie den Choreografen Alwin Nikolais oder den Bildertheater-Macher Robert Wilson hatte.

Fantastisch auch Schlemmers asymmetrisches, einäugiges vogelähnliches Monster am Ende des Abends, mit Kugelhand und spitzem Dolch als Ein-Finger. So wie der junge Florian Sollfrank diese ihn völlig verdeckende Umhüllung bewegte, blieb es bei der reinen Form. Ein erfahrener Tänzer mit einer „wissenden“ Bewegunsgqualität könnte diese Figur sicher ins Bedrohliche transzendieren lassen. Heißt: es ist für die „Juniors“ noch Arbeit zu tun. Und wenn statt der einheitlichen schwarzen Stoffkulissen der Hintergrund, wie im Original, GELB und ROSA, wenn überhaupt das Lichtdesign mehr Atmosphäre schaffen würde, wäre man Schlemmers Ziel einer Farb-Klang-Licht-Einheit ein gutes Stück näher.

noch am 6.6., 20 Uhr, Reithalle in der Heßstraße. Kostenlose Werkeinführung 1 Stunde vor Beginn.; Vorstellungen in der Berliner Akademie der Künste, Hanseatenweg, vom 27.- 29. 6., 20 Uhr
 

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