„There's Time“ von der wee dance company

„There's Time“ von der wee dance company

Tanz auf der Höhe der Zeit

Gefeierte Premiere der Tanzkompanie des Gerhart Hauptmann – Theaters Görlitz – Zittau

Musik von Johann Sebastian Bach. „Das Wohltemperierte Klavier“, Prelude f-Moll. Dazu tanzt Nora Hageneier, ein Solo, versonnen, allein auf der großen Bühne...

Görlitz, 21/01/2013

Musik von Johann Sebastian Bach. „Das Wohltemperierte Klavier“, Prelude f-Moll. Dazu tanzt Nora Hageneier, ein Solo, versonnen, allein auf der großen Bühne, wie sie Britta Bremer und Marko E. Weigert für diese Neufassung des Tanzstücks „There's Time“, von der wee dance company vor acht Jahren im Berliner Kunsthaus Tacheles uraufgeführt, jetzt für das Görlitzer Theater gestaltet haben.

Die Tänzerin agiert aus spürbarer innerer Freiheit in einem Lichtkreis als hätte sie alle Zeit der Welt als könne ihr niemand auch nur eine Sekunde ihres kostbaren Gutes rauben. Völlig unberührt gibt sie sich dem Maß der Musik hin. Dan Peleg, der graue Herr mit Aktenkoffer und Melonenhut ist machtlos, seine Versuche, die Kreise der Tänzerin zu stören, bleiben erfolglos. Aber bald sind sie da und bevölkern die Bühne, die Typen in Grau. Sie erinnern an die Zeitdiebe aus Michael Endes Buch „Momo“.

Im Tanzstück von Dan Peleg und Marco E. Weigert sind die sieben Tänzerinnen und Tänzer in der akkuraten Kleidung mit den Aktenkoffern auf blanken Sohlen Räuber und Beraubte zugleich. Sie liegen auf der Lauer, sie springen und jagen durch den Raum, sie gehen aufeinander zu, sie suchen die Nähe und brechen jäh Kontakte ab. Sie halten einander und lassen sich fallen, brutal und zärtlich können sie sein, einsame Jäger und Gejagte. Jedem von ihnen schlägt die Stunde. Ganz vorn über der Bühne hängt eine Sanduhr, später wird der Sand aus einem groben Sack wie die unaufhaltsam verrinnende Zeit über den Körper einer einsamen Tänzerin rieseln. Tänzer werden sich in den roten Seilen der Zeitschleifen verwirren oder sogar in zeitloser Schwerelosigkeit von Seilen gehalten durch den Raum schweben. Sie werden auf einem grünen Zeitteppich inmitten der schwarzen Bühne eine Idylle der Zeitlosigkeit genießen und damit umgehen müssen, wenn ihnen die Zeit den Boden unter den Füßen fortreißt.

Eine Tänzerin sucht nach den Spuren der Zeit auf ihrer Haut. Alles hat seine Zeit in diesem Tanzstück, Zeit der Paarung, Zeit der Einsamkeit, Zeit der Aggression, Zeit der Zärtlichkeit. Sieben Tänzerinnen und Tänzer, sieben knappe Soli, Duette oder Versuche die Zeit zu dritt anzuhalten, so berührende wie beeindruckende Bilder der ganzen Gruppe, direkt oder als Schattenriss im Gegenlicht. An Hugo von Hofmannsthals Zeitphilosophie wird man immer wieder erinnert, an die Zeit, die ein sonderbar Ding und rein gar nichts ist, wenn man so hinlebt, an die Zeit, die fließt, lautlos wie eine Sanduhr, zwischen mir und dir. An diesem Abend fließt die Zeit zwischen uns und den Tänzern, deren Energie uns immer wieder in den Bann zieht und uns meinen lässt, jene Augenblicke des Glücks im Theater zu erleben, an denen man wünscht, die Zeit möge stehen bleiben.

Dazu Musik unterschiedlicher Stücke der Gruppe Matmos aus San Franzisco, deren Rauschen und Rascheln, deren Sound der Keyboards und Gitarre, gemischt mit natürlichen und künstlichen Zeitzeichen wie dem Hahnenschrei oder dem mahnenden Glockenschlag, weit mehr bedeutet als bloße Untermalung des Geschehens. Wie gemacht für den Tanz von Leila Bakhtali, Nora Hageneier, Laura Keil, Fernando Balsera Pita, William MacQueen, Ruslan Stepanov und Marko E. Weigert.

Für die Görlitzer Neufassung von „There's Time“ wurden Filme gedreht, die Tänzer in der Stadt, auf einer grünen Kunstinsel im Schnee, oder in den Räumen der historischen Oberlausitzer Bibliothek, deren gebundene Zeitzeugnisse zum Zeitspiegel werden. Auf einem Platz in der Stadt verkauft eine Tänzerin u.a. Freizeit, Arbeitszeit, Zeitlupen, Zeitraffer, Langeweile oder wärmende Sommerzeit mitten im Winter.

Das sind heitere, kommentierende Intermezzi, ebenso wie immer wieder die Szenen der Tänzer vom Publikum schon mit herzlichem Szenenapplaus bedacht. Dann zum Schluss noch einmal Zeit der Poesie. Eine Art Nachtmusik, Grillen zirpen im Klang der Stille, ganz zart ein Duett, zwei Tänzerinnen, „There's Time“, es ist an der Zeit für die Zeit der Zärtlichkeit.

Weitere Aufführungen: 25., 27., 31.01.; 02.02.
 

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