Höhen und Tiefen

Große Niveauunterschiede bei regionalem „Mixed Pickles“-Programm in Regensburg

Regensburg, 28/03/2012

Es ist ein durchwachsener Abend geworden. Zum Abschluss der achten Ausgabe von Schleudertraum, dem regionalen Tanzfestival, gab es das, was man beim Supermarkt in der vierten Reihe links im Vorbeigehen in den Wagen legt – Mixed Pickles. Rotes, gelbes, grünes und weißes Gemüse, mit scharfem Pfeffer und anderen Gewürzen eingelegt in Essig. Anregend und schmackhaft, sollte man diese salzig-leckere Mixtur keinesfalls gering schätzen. Nun ja, der Pfeffer war hier im Theatersaal an der Uni eher mild, fehlte teils ganz, und die frischen, appetitanregenden Farben fanden sich zwar in den Tanzkostümen, aber nur bedingt in den Choreografien wieder.

Unbezweifelbarer Höhepunkt: Die Uraufführung von Alexandra Karabelas` „Hungry Butterflies 2“ mit Kilta Rainprechter und Olaf Schmidt. Nach vielen gelungenen und diskussionswürdigen Premieren, die er in den vergangenen acht Jahren für das große Haus choreografiert hat, zeigte der scheidende Ballettdirektor vom Theater Regensburg, dass er sein ursprüngliches Medium nach wie vor perfekt beherrscht. Und er setzte durch seine Teilnahme ein deutliches Zeichen für die regionale Szene, so unterschiedlich sich diese auch darstellt. Ein solches Zeichen hätte man sich auch aus Schmidts Fan- und Kollegenkreisen gewünscht. Die Chance diesen beeindruckenden Künstler einmal von einer anderen Seite zu erleben, wurde allerdings von dieser Seite souverän ignoriert. Ein Armutszeugnis, das nicht dadurch besser wird, dass die bemerkenswerte Leistung von Rainprechter und Schmidt und den Musikern Anka Draugelates (Bratsche, Gesang) und Reinhold Bauer (Percussion) begeistert aufgenommen wurde. Leidenschaft, Poesie und in Gesten und Bewegungen amüsant ausgespieltes Gegockel und Gefiebere ließen den flirrenden Pas de deux wie im Flug vorüber ziehen. Ein schönes, körperhaftes Spiel von Annäherung und Entferntheit, Hingabe und Sehnsucht mit kraftvollen Sprüngen, welche die enorme Präsenz Schmidts leuchten ließ. Die eigens erarbeitete Musik hatte spürbar Anteil, obwohl die unverstärkte Stimme der Sängerin phasenweise so dünn wirkte, dass sie beinahe versackte. Ein wenig schade.

Drei Choreografien von Ballettschulen und Ute Steinberger prägten die erste Hälfte des Abends. Etwas zwiespältig wirkte Steinbergers tänzerisch gelungenes Solo „Passing Through“, Durchreise, um ein nordkoreanisches Volks- und Propagandalied, gesungen vom charismatischen Nichtsänger Leonard Cohen. Nach einem Einstieg mit Stahlhelm überm roten Trikot zu einem jiddischen Lied, das eine direkte Assoziation zu Leid und Tragik des 2. Weltkrieg nahe legte, wechselte die Lebens-Durchreise mehrmals die emotionale Richtung. Der Tanz bekam dadurch eine etwas groteske und ins belanglos-beliebige kippende Schlagseite. Schüler und Studentinnen tanzten die Choreografien „Love:Hate:Desire“ von Eva Eger und „Huljet“ von Sebastiano Bonivento. Ohne an den teilweise sehr passablen und engagierten Leistungen der jungen Tänzerinnen rummäkeln zu wollen, geriet der Abend dadurch aber an den Rand einer – unprofessionellen – schulischen Leistungsshow. Daran wäre nichts auszusetzen, wenn es bereits im Vorfeld deutlich und klar herausgestellt wird. Das war so nicht der Fall und macht damit die Vorstellung ein wenig zum Ärgernis für die Zuschauer, die – im Unterschied zu Familien und Verwandtschaft der Ballettschülerinnen – mit gesteigerten Erwartungen gekommen waren. In den letzen Jahren war auch bei regionalen Leuten und Ensembles das Niveau spürbar höher. Entwickelte Egers mit bombastischer und wuchtiger Geräuschmusik aufgeladene Choreografie doch ziemliche Längen und wirkte in seiner intendierten Tragik ziemlich aufgesetzt, geriet Boniventos nach Iva Bittovas „Huljet“ dagegen unkoordiniert und halbherzig. Fast schmerzlich hoben sich die unterschiedlichen Niveaus des Abends gegeneinander ab und machten deutlich, dass man sich für den kommenden Schleudertraum 9 mehr Gedanken über die eigenen Maßstäbe und Erwartungen machen sollte. Auch damit zusätzlich auch ein anderes Publikum endlich den Weg zu diesem eigentlich unverzichtbaren Kulturereignis findet.

 

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