Schwarz-Weiß-Kunst

Pilobolus-Dance Theatre mit „Shadowland“ zu Gast im Münchner Prinzregentheater

München, 05/04/2012

Eben war Molly Gawler noch ein attraktives Mädchen. Da verwandelt eine riesige von oben herabreichende Hand sie in ein Hundefrauchen auf zwei Beinen. Zaubertrick? Eher ein Märchen in der Art von „Alice im Wunderland“. Aber weil hier ein – phänomenal! – ausgeklügeltes Schatten-Spiel solche Verwandlungen bewirkt, nennt das Pilobolus-Dance Theatre, soeben zu Gast im Münchner Prinzregentheater, seine jüngste Produktion kurz „Shadowland“.

Acht Millionen Zuschauer hätten die US-Truppe bei ihrem ZDF-„Wetten dass...?“-Auftritt gesehen. Werbung kann nicht schaden. Aber den Tanzfans sind die Pilobolus-Nummernshows zwischen Modern Dance, Akrobatik und Schattenspiel schon seit Jahrzehnten ein Begriff. Jetzt erzählen Steven Banks, Robby Barnett, Reneé Jaworski, Michael Tracy und weitere kreative Köpfe zum ersten Mal eine Geschichte: halb Alptraum, halb geträumter Jungmädchenwunsch nach Erwachsenwerden und – nach dem Prinzen. Zu einem sanft oder kräftig pulsierenden Soundtrack von David Poe ist „Shadowland“ ein in atemberaubender Präzision ablaufender Bilderreigen: als Schatten werden zehn agil krabbelnde Finger zu vorwitzigen Krabben, mehrere über- und ineinander verschlungene Tänzerkörper zu exotischen Bäumen und Wasserpflanzen.

Unsere „Hunde-Alice“ wird von schlachtsüchtigen verrückten Köchen verfolgt und schließlich von einem barmherzigen Cowboy aufgelesen. Es ist unser Lieblingsmoment, wenn die beiden im Taxi – gebildet nur aus Gliedmaßen! – durch die Landschaft tuckern: Das Hundedämchen, die Öhrchen lustig auf- und niederklappend, genießt ganz offensichtlich den Fahrtwind. Fast bedauert man, dass man bald erkennt, wie Molly Gawler nur mit einem um den Kopf gelegten Arm das Hundeprofil herstellt.

Aber wie beim Cirque Nouveau ist die Illusionsbrechung bewusste Strategie. Die neun Tänzer laufen rein und raus aus dieser Schattenwelt auf großen und kleinen Leinwänden. Diese werden zwischendurch weggeschoben für eine „reale“ hochathletische Modern-Dance-Nummer. Und wenn der vielarmige Baum, die Burgzinnen, der Elefant, das Kamel, all diese großartigen Schattengebilde sich auflösen in wegpurzelnde, wegrollende Körper, weiß man auch, wie 's gemacht wird. Geheimnis bleibt jedoch, welche „Schatten-Mathematik“ nötig ist, damit ein Riese das Winzwesen Hündchen am Kopf kraulen kann. Chapeau!

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