25jähriges Jubiläum der Münchner Ballettakademie

Ein Interview mit Jan Broeckx und Kirill Melnikov über Möglichkeiten und Probleme der Ballettakademie der Hochschule für Musik und Theater

München, 02/04/2012

Die Ballettakademie der Hochschule für Musik und Theater München wird heuer 25 Jahre. Vor 1987 gab es hierorts zwar auch schon eine staatliche Tanzausbildung, aber lediglich als kleine Unterabteilung der Musikhochschule. Noch in den 70er Jahren existierte nur ein einziger Trainingssaal. Unterrichtet wurde von einem leitenden Professor und zwei Lehrkräften. Dank Prof. Konstanze Vernon, die mit ihrer 1978 gegründeten Heinz-Bosl-Stiftung finanzielle Mittel bereitstellte, wurde nach und nach ein adäquater Lehrerstab aufgebaut. Und mit dem Einzug 1987 in das ehemalige, nun von Grund auf renovierte Schwabinger Trambahn-Depot – mit fünf Studios – avancierte die „Abteilung Ballett“ der Musikhochschule zum Status der „Ballettkademie“.

Dieses 25jährige Jubiläum hat der jetzige Ballettakademie-Leiter Jan Broeckx – ehemals Solist an der Bayerischen Staatsoper und bei Roland Petit in Marseille – zum Anlass genommen, seine 144 Studenten in einem Gala-Abend im Münchner Prinzregententheater zu präsentieren (s. dazu die tanznetz-Kritik von Isabel Winklbauer). Vorab trafen wir Broeckx und Kirill Melnikov. Der ehemalige Kirow-Solist Melnikov, der von 1992 bis 2005 als Erster Solist im Bayerischen Staatsballett alle großen Rollen zwischen (Neo-)Klassik und Modern tanzte, begann bereits 1998 seine pädagogische Tätigkeit an der Münchner Ballettakademie und steht seit Oktober 2011 Broeckx als Stellvertreter zur Seite.
 

Malve Gradinger: Herr Broeckx, 1978 gründete Konstanze Vernon, damals schon Leiterin der „Abteilung Ballett“ der Musikhochschule, die Heinz-Bosl-Stiftung zur Förderung der Ballettausbildung. Und ab 1978 ermöglichte sie – aus den finanziellen Mitteln der Stiftung – unter anderem, die Heinz-Bosl-Ballettmatineen als opulentes Schaufenster der gesamten Akademie, von der Vorstufe und Mittelstufe bis zu den Vollstudenten. Ganz zu Beginn noch in der Musikhochschule, dann kontinuierlich im Münchner Nationaltheater. Nach Konstanze Vernons erstem Nachfolger Robert North übernahmen Sie 2010 die Leitung der Ballett-Akademie. Und Sie möchten ab jetzt Ihre Studenten eigenständig vorstellen, das heißt ohne die Unterstützung der Heinz-Bosl-Stiftung, wie schaffen Sie das? 

Jan Broeckx: Nur mit großer Anstrengung. Wir haben ja kein Repertoire, wie es Konstanze Vernon über Jahre aufgebaut hat, auch keinen Kostümfundus. Das wurde damals alles von der Stiftung finanziert. Die Heinz-Bosl-Stiftung und die Ballettakademie waren dadurch im Bewusstsein der Öffentlichkeit identisch. Es hieß ja früher auch immer: „Bosl-Studenten“. Tatsächlich waren es Ballettakademie-Studenten, die von der Stiftung gefördert wurden. Seit eineinhalb Jahren sind nun beide Institutionen getrennt. Die Mittel der Stiftung kommen jetzt ausschließlich der Junior-Compagnie zu, die im Dreierverbund aus Bosl-Stiftung, Staatsballett und Ballettakademie gegründet wurde. Die Compagnie-Mitglieder rekrutieren sich aus Konstanze Vernons „Heinz-Bosl“-Stipendiaten, Volontären von Ivan Liskas Bayerischem Staatsballett und Absolventen der Ballettakademie. Die Junior-Compagnie präsentiert sich auch weiterhin unter dem Titel „Ballettmatinee der Heinz-Bosl-Stiftung“ im Münchner Nationaltheater. Schon um uns ein bisschen davon abzusetzen, gehen wir jetzt ins Münchner Prinzregententheater.

Aber das Problem bleibt: Geld...

Broeckx: Wir sind staatlich natürlich unterstützt, aber wir können jeden Euro brauchen. Wir haben deshalb jetzt auch unseren eigenen Förderkreis und hoffen auf Sponsoren, damit wir bedürftigen Studenten Stipendien ermöglichen können, auch um Spitzenschuhe und Kostüme zu finanzieren.

Kiril Melnikov: Ja, wir beginnen eigentlich bei null. Das Budget der Hochschule reicht ja nicht... Wir haben jetzt günstig 24 Tütüs in Georgien bestellt. Sponsoren haben uns geholfen. Sehr dankbar sind wir der Deutsch-Russischen Ballettstiftung, die Frau von Siemens gegründet hat. Sie hat jetzt auch die Kostüme für „Sommernachtstraum“ finanziert.

Der „Sommernachtstraum à la Bavarese“ ist ein neues Ballett von Ihnen, Herr Melnikov, eigens entworfen für die Jubiläums-Gala. Sie haben ja schon zuvor choreographiert, 2008 „Cenerentola“ in Ingolstadt, dann den Hauptteil des von Ihnen 2010 initiierten ersten kleineren Akademie-Abends unter dem Titel „Nosferatu & Co.“ in der Münchner Reaktorhalle. Gemeinsam mit anderen Akademie-Lehrkräften war das ein erster Anlauf, sich vom Label „Bosl“ zu emanzipieren. Auch diese Jubiläumsgala wird nun choreografisch ausschließlich von den Akademie-Pädagogen bestritten, mit Ausnahme von Petipas „Paquita“ von 1881. 

Melnikov: Ja, Prokofjews „Symphonie Classique“ haben Jan Broeckx und ich gemeinsam choreografiert. Der Nationaltanz ist von Dimitri Katunin Sokolov und das moderne Stück ist von David Russo. So können wir in einem bunten Programm zeigen, was die Studenten in einem Jahr in den verschiedenen Disziplinen gelernt haben.

Unter Konstanze Vernon hat Prof. Heinz Manniegel des Öfteren Stücke für die Studenten kreiert. Größtenteils hat sie jedoch Gastchoreografen eingeladen. Und als sie sich auf ihre Bosl-Stiftung zurückzog, kam mit ihrem ersten Nachfolger Robert North zugleich ein renommierter Choreograf an die Akademie, der die zunächst noch fortgeschriebenen großen Bosl-Matineen mit neuen oder mit älteren Stücken aus seinem Oeuvre versorgte. Jetzt ist die Situation eine ganz andere... 

Melnikov: Die Bosl-Stiftung konnte Gastchoreografen bezahlen, auch die Musikrechte, Technik, und, und, und. Aber wir sind motiviert. Und wenn es sich weiter so entwickelt, werden wir in Zukunft im Prinzregententheater, im Carl-Orff-Saal und in der Reaktorhalle Abschlussvorstellungen geben. Ein akutes Problem ist der Probenplan: alle, die noch zur Schule gehen, kommen erst nachmittags, die einen um 15 Uhr, die anderen um 16 Uhr. Manche unserer Vollstudenten bereiten sich in der Abendschule auf das Abitur vor. Da ist es verdammt schwierig, alle zur gleichen Zeit zu den Proben in den Ballettsaal zu kriegen. Deshalb brauchen wir möglichst bald ein Tanzgymnasium. Wenn alle in die gleiche Schule gehen, dann planen wir viel leichter. Außerdem bräuchten wir ein Internat für die Kleinen. Manche kommen aus Bad Tölz oder Rosenheim. Ein solch langer Anfahrtsweg ist für die Kinder und auch für die Eltern sehr unbequem. Durch einen Kooperationsvertrag mit der Bosl-Stiftung haben wir zurzeit zumindest für Vollstudenten zwanzig Plätze im Bosl-Studentenwohnheim. Aber das reicht nicht. Viele Studenten müssen sich Wohnungen mieten. Und in München sind Wohnungen sehr teuer.

Broeckx: Bis jetzt haben wir wenigstens schon erreicht, dass die Kinder nach der Schule nicht erst nach Hause müssen. Vor ihrem Ballettunterricht bekommen sie hier ein Essen und auch Hausaufgabenbetreuung. Aber Berlin, Stuttgart und Dresden haben längst ihr Tanzgymnasium und Internat. Und das ist auch unser Ziel. Immerhin haben wir ein Bachelor-Programm eingerichtet, das den Studenten eine breitere Ausbildung bietet.

Melnikov: Der Bachelor bedeutet zusätzliche theoretische Fächer, Tanzgeschichte, Musikgeschichte, Tanzmedizin. Dafür sind weitere Räume nötig. Unsere fünf Ballettsäle reichen ja schon nicht mehr für all unsere Trainingsklassen. Wir haben viele Anfragen, viele Bewerber, nicht nur aus Deutschland. Das kommt schon allein durch unsere Präsenz auf Facebook. Wir stellen dort unsere News und neue Fotos ein. Und die jungen Leute heute schauen alle ins Internet... Ich habe gehört, dass die Schulen in Berlin, Dresden und Stuttgart neue Gebäude haben oder in Zukunft bekommen. In Stuttgart wird die Tanzausbildung von Stadt und Staat unterstützt. Wenn dort ein Jubiläum gefeiert wird, sieht man den Bürgermeister, den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Sponsoren auf der Bühne. Leider ist das in Bayern ist nicht der Fall. Ich glaube, hier konzentriert sich alles auf die Oper. Und das ist schade.

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