Wo alles nichts bedeutet – und nichts alles

Édouard Locks kanadische La La La Human Steps mit „Neuem Stück“ auf Europa-Tournee

oe
Ludwigsburg, 05/02/2011

Wenn bei Pina aus Wuppertal interessierte, nicht wie, sondern was ihre Tänzer bewegte, so ist es bei Eddi und seinen Tänzern aus Montreal eher umgekehrt – nicht was sie als humane Wesen in ihre Kunst einbringen, sondern, wie sie programmiert sind. Und so bestaunt man die ersten zehn Minuten auf der Bühne des Ludwigsburger Forums fasziniert, was die alles können und praktizieren, indem sie ihre Körper als Energiespender in den Raum schleudern, mit den Armen und Beinen als roboterhaften Rotatoren, und das in einer nicht für möglich gehaltenen Geschwindigkeit, wenn sie nicht gerade posierend im Beleuchtungsspot als lebende Skulpturen auf dem Boden hocken (denn die Beleuchtungsregie ist hier Teil der Bodygraphie).

Nur erlahmt die Aufmerksamkeit nach dem spektakulären Auftakt ziemlich rasch, und die restlichen achtzig Minuten der pausenlosen Vorstellung dehnen sich dann schier endlos und veranlassen zahlreiche Zuschauer, das Weite zu suchen. Denn sonst gibt es kaum etwas, woran man sich halten kann. Kein Thema (wie in Wuppertal, aber das „Stück“ ist brandneu, und vielleicht lässt sich ja ihr Produzent nachträglich noch etwas einfallen – wie so oft bei den Wuppertalern).

Im Vorhinein hatte man immerhin von einem Mix aus „Orpheus und Eurydike“ und „Dido und Aeneas“ gehört, und was die vier Musiker von Gavin Bryars und Blake Hargreaves auf ihren Instrumenten ausgesprochen stimmungsvoll von sich hören ließen, verdichtete sich in der Tat an einer Stelle zu einem kompakten Pas de six der Männer à la dem Ballo der Furien aus der Gluck-Oper und später dann, wenn schon nicht zu Didos großem Lamento „When I am laid in earth“, so doch zu Purcells eisdurchklirrten „Let me freeze again to death“ aus „King Arthur“.

Doch jeglichen Anflug von Handlung oder Narration scheint Monsieur Lock wie Beelzebub zu fürchten, und so benutzt er die beiden Mythen lediglich als einen „atmosphärischen Raum für Gefühle des Verlassenseins und Verlassenwerdens“. Womit er offenbar nicht gerechnet hat, ist, dass auch wir, das Publikum, uns in seinem Spektakel von allen theatralischen Geistern verlassen wähnen. Da mögen die elf Tänzerinnen und Tänzer wie der Kontrolle entglittene Feuerwerkskörper auf der Bühne herumzischen, ein Schrapnell der Explosionen, die Damen ihre Spitzenschuhe wie Drillbohrer in den Boden rammen oder als Paare ihre Bodies gegeneinander krachen lassen: dieser Beschleunigungsleertanz, der so nichts als sich narzisstisch selbst kommuniziert, produziert auf die Dauer nichts als ein Crescendo der Langeweile.

 

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