Unter den Teppichen

Vehement politisch: „Terrains DéCouverts“ der DIN A 13 Tanzcompany

Köln, 13/08/2011

Wenn eine Inszenierung mit sanften Tönen und Vogelgezwitscher beginnt, kann man in Zeiten des Regietheaters sicher sein, dass diese Idylle gleich in der nächsten Szene aufbrechen und sich das Stück bis zum Schluss daran reiben wird. Das Tanztheater ist davon nicht ausgenommen. Deshalb überrascht es nicht, dass der tonlose Schrei des auf der Stelle tretenden Performers und das leise Zittern von Häufchen unter mehreren Teppichen gleich in eine laute, temporeiche, manchmal gar orgiastische Raserei übergehen wird. Doch erst mal entdeckt der Lichtspot einen sprachlosen Menschen, dem kein Ton über die bewegten Lippen kommt, und schließlich noch die vier bizarren Gestalten mit Krücken und Gehhilfen, die sich langsam von der Last der Teppiche befreien.

„Terrains DéCouverts“ heißt die neue Produktion der Kölner DIN A 13-tanzcompany, uraufgeführt wurde sie in Dakar und nun beim Festival Sommerblut in Köln gezeigt. Gleich in diesen schlichten Eingangsszenen deutet sich an, dass die Company auf eine Entdeckungsreise gehen wird und welche Gebiete (Terrains) es zu entdecken und aufzudecken gilt (DéCouvert). Das Stück mit zwei nicht behinderten und drei behinderten Tänzern aus dem Senegal ist auch dort entstanden. Auf ihren Krücken bewegen sie sich flotter als manch anderer, wirbeln wie in Pirouetten um sie herum oder balancieren auf ihnen wie im Spitzenschuh. Sie sind Körperergänzung und Lebensstütze in einem.

Statt wie im Senegal (und anderenorts!) gesellschaftliche Probleme unter den Teppich zu kehren, schauen die Choreografinnen Gerda König und Gitta Roser in diesem Stück sehr genau unter die gelüfteten Teppiche. Sie holen dort nicht nur persönliche Schicksale hervor, sondern entdecken daran auch die kulturell bedingten Benachteiligungen, die sie in starke Bilder umsetzen. In einer zentralen Szene des Stücks baut sich ein Mann mit Hilfe der einzigen Frau in der Company aus den Krücken aller ein fragiles Gerüst, auf dem schließlich er allein, ganz Macho, thront. Doch ein kleiner Kick der Frau bringt das Gebäude zum Einsturz.

So leicht lassen sich gesellschaftliche Verhältnisse, etwa die Benachteiligung der Frau im islamistischen Senegal, nicht zum Einsturz bringen. Während diese Szene auch für den Zuschauer unseres Kulturkreises noch verständlich ist, braucht man schon einige Kenntnisse mehr, um all die Andeutungen zum Überleben auf der Straße einer Mega-City zu verstehen. Sonst bleibt eine handgreifliche Auseinandersetzung zwischen einem Behinderten und Nicht-Behinderten nur ein einfacher Streit anstatt ein Kampf um Anerkennung. Überzeugend authentisch sind die Tänzer dort, wo sie mit dem je eigenen Bewegungsvokabular ihrer Behinderung arbeiten. Gerda König, selbst an den Rollstuhl gefesselt, und Gitta Roser sind wie nur wenige vehement politisch in ihrer inhaltlichen und choreografischen Arbeit. Für die Kölner Tanzszene ohne wirklich politisch anspruchsvolle Stücke ein echter Glücksfall. Mit „Terrains DéCouverts“ lenken sie den Blick auf die ungleich schwierigere Situation von Behinderten in anderen Weltregionen. Das machen sie unterhaltsam und nicht belehrend, was wohl die starke Ausstrahlung ihrer Stücke erklärt.

www.din-a13.de

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