Münchens „show must go on”

Die Neueinstudierung von Jérôme Bels legendärem Stück mit Darstellern aus der Stadt

München, 22/12/2011

20 Performer und ein DJ. Songs aus 30 Jahren Popgeschichte. Weltweite Tourneen. Pionier des Konzepttanzes. Mittlerweile kennt man diese Fakten. Wer hat nicht schon einmal von Jérôme Bels „The show must go on“ gehört, das im Jahr 2000 im Hamburger Schauspielhaus Premiere hatte und dort einen kleinen Eklat produzierte. Nach „The show must go on 2“ (2004), etlichen Tourneen und lokalen Neuproduktionen (in Auckland, Tokio und Warschau), erreicht das Stück nun München.

Und es beginnt wie die vielen Male zuvor, mit dem einsamen DJ an seinem Pult und einer dunklen Bühne. „Tonight, tonight“ singt die Stimme aus West Side Story und nichts passiert. Erst als es „Let the sunshine in...“ durch den Raum schmettert, wird es langsam heller. Nach jedem Song wechselt der DJ (Gilles Gentner) seelenruhig die CD – ja, vor 10 Jahren machte man das wohl noch so. Die nächste Nummer beginnt. Inzwischen sind auch die Performer auf die Bühne gekommen, ein Cast aus Münchner Stadtbewohnern, unter denen man schnell bekannte Gesichter entdecken kann wie die Performer Judith Hummel, Peter McCoy oder Markus Kunas. Aber auch eine Bibliothekarin, ein Zeitungsverkäufer und Schüler schwingen zu „I like to move it“ ihr Tanzbein, wackeln mit ihren Gliedmaßen bis der hämmernde Rhythmus fast ins Absurde führt oder vollführen zaghafte Ballettschritte ihrer Mädchenträume.

Denn der französische Choreograf Jérôme Bel nimmt in „The show must go on“ die Songtexte sehr genau, greift sich einzelne Zeilen heraus und übersetzt diese Wort für Wort in schablonenhafte Bewegungssituationen. Kulturelle Codes, die sich schnell dechiffrieren lassen. Und das Stück funktioniert immer noch. Gerne lässt man sich von den Geschichten, die durch die Aneinanderreihung der Lieder entstehen, mitziehen. Das einfache, aber geniale Konzept dahinter hat man schnell verstanden: Schon gehen die Performer in Winslet-DiCaprio-Pose unter, um gleich darauf im Yellow Submarine, einziger Verweis zum Lied ein gelber Lichtstrahl auf der sonst leeren Bühne, mit den Beatles zu feiern.

Musik und DJ haben das Sagen, sie steuern die Performer, die mit ihren Körpern Bilder und Bedeutungen erzeugen, Zeichen generieren, sich inszenieren. Und falls die Musik mal aussetzt, da „Sound of Silence“ auf dem Programm steht, springt das Publikum ein mit einem Spontanchor, um die Stille zu überbrücken – zumindest in München. Das macht es wohl auch so besonders: Ein Stück in seiner speziellen Verortung in München zu sehen und trotzdem an den Mythos, der „The show must go on“ mittlerweile schon zu umgeben scheint, anzuknüpfen und es als Neuproduktion, nicht als Rekonstruktion, wieder aufleben zu lassen.

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