„Five Brahms Waltzes in the Manner of Isadora Duncan“ von Frederick Ashton. Tänzerin: Stephanie Hancox

„Five Brahms Waltzes in the Manner of Isadora Duncan“ von Frederick Ashton. Tänzerin: Stephanie Hancox

Ein Abend der Erinnerungskultur

Das Ashton- und MacMillan-Programm des Bayerischen Staatsballetts

oe
München, 28/12/2011

Ihrer ostentativen Euro-Verweigerung zum Trotz boomt der kontinentale Export der Engländer. Jüngster Erfolg: der neue Abend des Bayerischen Staatsballetts, mit diskretem Understatement annonciert als „Very British!?“. Er bietet drei Ashtons und einen MacMillan aus der Schatzkammer des Royal Ballet: vom Altmeister, Sir Frederick, die Strawinskyschen „Scènes de ballet“ aus dem Jahr 1948, als die Königlichen noch als Sadler‘s Wells Ballet fungierten, sowie die beiden Gustostükerl „Five Brahms Waltzes in the Manner of Isadora Duncan“, zuerst zu sehen, von Lynn Seymour getanzt, bei der Hamburger Nijinsky-Gala 1975, und den „Frühlingstimmen“-Pas de deux, Jahrgang 1944, sowie von McMillan das 1965 für das Stuttgarter Ballett kreierte Gustav Mahlersche „Lied von der Erde“.

Viel Historie also diesmal von den Staatlichen Bajuwaren, die sich im 14. Jahr der Direktion von Ivan Liška als die konservativste unter den großen deutschen Opernballettkompanien erweist – alles picobello einstudiert von Coaches, die den britischen Stil – so oder so – total verinnerlicht haben, exquisit getanzt von den Solisten und in wundersamer Harmonie von den Corps-de-ballet-Tänzern. Begleitet vom Staatsorchester unter der Leitung von Ryusuke Numajiri – etwas lautstark, so dass die Texte der Mahler-Liedsinfonie kaum zu verstehen waren. Ein Abend, der unweigerlich nostalgische Gefühle aufkommen ließ. Bei Strawinsky an die damaligen Sadler‘s Wells Junioren Margot Fonteyn und Michael Somes und an die für damalige Verhältnisse hinreißende Hommage an den zaristischen Petipa-Klassizismus, hier nun in reinstem Oxford-Englisch deklamiert, vor dem de Chirico-Dekor, mit dezenten englischen Akzenten: ein abstraktes Spiel der Linien und Geometrien, kristallinisch ziseliert, in immer neuen Formen gerinnend – auch in der heutigen Münchner Einstudierung mit Daria Sukhorukova und Maxim Chashchegorov als Hauptpaar ein Schmuckstück aus dem Kronjuwelenkabinett des britischen Repertoires.

Das Duncan-Memorial sodann, eine charmante jugendstilige Reminiszenz, ein Traum aus wehendem Chiffon, wie eine Windsbraut, von Maria Babanina auf dem Flügel evoziert und von Stephanie Hancox in den Raum projiziert, mit beeindruckenden Momenten des ungemein beredten Stillhaltens. Und noch ein Ashtonsches Praliné, der Strauß-Walzer, in dem Lukáš Slavický, seine Partnerin Katherina Markowskaja einarmig wie eine frische Brise aus dem Wienerwald über die weite Bühne des Nationaltheaters transportiert, ein Tänzer wie eine Äolsharfe. Und dann zum Schluss die große Mahler-Epopöe, damals mit Marcia Haydée, Ray Barra und Egon Madsen ein kühner Geniestreich auf die für sakrosankt gehaltene Sinfonik der Jahrhundertwende, von den Münchnern heute, mit hingebungsvoller Affinität für die großen Themen von Leben, Liebe und Tod von Lucia Lacarra, Marlon Dino und Lukas Slavicky zelebriert. Ein Abend der nachhaltigen Erinnerungskultur, markant gegen die Schnelllebigkeit heutiger Event-Turbulenzen gesetzt!

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