Anna: Der Tanzplan war schon immer da. Mein erstes Tanzseminar begleitete den Entstehungsprozess eines Stücks am Staatsballett München. Bald darauf war ich mittendrin beim Schülertanzprojekt „Anna tanzt“ und beim DANCE-Festival in München. Jetzt ist der Tanzplan nicht mehr da.
Miriam: Die letzten Jahre begleitete mich der Tanzplan Deutschland durch mein Studium. Unter Seminaren an der Uni war das Logo zu sehen. Mein erstes Tanzfestival in München, „Made in Bavaria“, fand im Rahmen von Access to Dance statt, viele weitere folgten. Im Sommer 2007 durfte ich zusammen mit anderen Studentinnen das Tanz und Schule-Projekt „Anna tanzt II“ vier Wochen lang begleiten und dokumentieren. Die Ergebnisse lassen sich in der Publikation „Wann beginnt die Choreographie“ finden.
Wir wurden mit unserem Studienbeginn vor vier Jahren sozusagen in den Tanzplan hineingeboren. Anfangs wussten wir nichts davon – freuten uns über die Lehrveranstaltungen, die uns aus der Uni in die Tanzszene führten, uns zum Beispiel in der Rolle eines Journalisten aktiv an Festivals teilhaben ließen und besuchten viele Vorstellungen. Diese Möglichkeiten bot uns der Tanzplan. Und nun sind wir zu seinem Abschlussfest eingeladen.
Als wir die Uferstudios erreichen, fällt feiner Sprühregen. Klebstreifen und Posterfetzen auf den blauen Eingangstoren zeugen von den vielen Veranstaltungen der letzten Jahre. Vierzehn Studios befinden sich auf dem Gelände, sieben davon haben heute ihre Pforten für die Besucher aus ganz Deutschland geöffnet. Berlin, Bremen, Dresden, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Hamburg, München und Potsdam präsentieren ihre „Tanzpläne“. Das Programm ist dicht gedrängt. Während Poster, Flyer und Prospekte über Aktionen und Veranstaltungen informieren, im Hintergrund Filme von Proben und Aufführungen laufen, finden in den verschiedenen Räumen Gespräche, Präsentationen, Diskussionsrunden und eine Lecture Performance statt. Fünf Jahre aus neun verschiedenen Perspektiven. Zwei Stunden haben wir dafür Zeit. Los geht’s.
18.00 Uhr (Miriam): Wenn man den Raum von „K3 – Zentrum für Choreographie/ Tanzplan Hamburg“ und „Tanzplan Potsdam: Artists-in-Residence fabrik Potsdam“ betritt, scheint man an einen anderen Ort mitgenommen zu werden. Auf dem Boden markieren Klebebänder zwei Studios und eine Küche. So werden Räume im Raum simuliert, darin soll der Alltag auf K3 in Bewegung gezeigt werden. Eine Gruppe von jungen Tänzerinnen des Jugendclubs sitzt mit Gita Barthel inmitten dieser Klebstreifen am Boden des Studios 2, und schauen am Laptop eine Choreographie, deren Bewegungen sie später ausprobieren werden. Daneben wärmt sich eine andere Gruppe von Tänzern auf, der Rücken eines Tänzers wird massiert. An der Wand verweist ein überdimensionaler Stundenplan auf das Programm der nächsten zwei Stunden. „Yoga“ „Wishes for the future of contemporary dance“ „Training“. Und in der Küche mit Sofas, Stühlen und einem Tisch – ich kann mich an einen Artikel erinnern, in dem über diese offene Küche auf K3 und deren Wichtigkeit für den Austausch zwischen den Künstlern berichtet wurde – diskutiert man über das Schälen eines Apfels.
18.15 Uhr (Anna): Immer mehr Menschen füllen die Studios. An den Wänden entdeckt man verschiedenste Zeichnungen. Beim Blick nach rechts ertappe ich eine Zeichnerin bei der Beobachtung einer Gesprächssituation. Sieben Zeichner der Gruppe It's raining elephants sind unterwegs, stellen Fragen über und an den Tanz und befinden über die Körpersprache der Anwesenden. Eine Ausstellung ‚to take or to leave‘ heißt es. Kurz nach Mitternacht sind die besten ‚Aufnahmen‘ schon mitgenommen.
18.30 Uhr (Miriam): Mittendrinnen in Frankfurt – drei Performer betreten die Bühne. Sie berühren sanft ihre Körper, tippen auf einzelne Glieder, treten miteinander in Kontakt, um sich alsbald wieder voneinander abzuwenden. Kommunikation durch Berührung – dieses Konzept war die Basis der choreographischen Recherche, erklären die drei Mitbegründer von ID_Frankfurt/Independent Dance in ihrer Lecture performance. Durch Berührungen und über die Funktionen der Haut entstehen Beziehungen. Informationen werden übermittelt, die aufgenommen und von einem anderen Körper weiterentwickelt werden. Doch auch Nicht-Physisches funktioniert als Berührung. Ein Gesicht schiebt sich vor das andere. Ein Blick genügt, um einen neuen Impuls zu setzen.
18.30 Uhr (Anna): Tanzplan Berlin – HZT (Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin) Sechs Studenten und Absolventen des HZT sitzen hier. In rasantem Tempo stellen sie ihre Projekte vor. Eine Soloperformance mit dazugehöriger Buchpublikation, ein junger Choreograph an der Tanzstange, eine Performance in der Sauna – viel Input in viel zu wenig Zeit. Da sitzt sie, meine Generation. Was sie sich für die Zukunft wünschen: Mehr Interdisziplinarität - More choice! Ich will mehr sehen.
19.30 Uhr (Miriam): Der Digitale Atlas Tanz wird vorgestellt! In wenigen Tagen wird man via Internet Zugriff auf sämtliche historische Dokumente aus der Tanzgeschichte seit 1900 haben. Stöbern und Erforschen, in und von Werken, Personen, Ereignissen, Orten und Stilen. Vor den Augen des Tanzatlas-Benutzers erscheinen verschiedene Themen und Stichworte auf einer Landkarte von Deutschland, deren vielfältige Vernetzungen durch Klicken aktiviert werden. Ein Einblick in Archivbestände wird gewährt, Zugang zum Tanzerbe Deutschlands geschaffen. War das nicht seit Jahren schon ein Traum von uns?
19.30 Uhr (Anna): Studio 3 Tanzplan Hamburg – Tanzplan Potsdam. Alleine steht man nie da beim Tanzplan Hamburg. Gerade wurde mein Nebenmann aufgefordert, sich mit einer Mülltüte ein Abendkleid zu basteln. „We are having a ball in a minute – better take off your shoes, so we don’t step on each others feet - we also have Sekt.” Ein Walzer ertönt und nach anfänglicher Schüchternheit füllt sich die Tanzfläche. Beschwingt geht es zu. Und da bin auch ich schon dabei, mir die Schuhe auszuziehen.
19.50 Uhr (Anna): Kurz durchatmen. Man spürt die Freude, die das K3 an der Veranstaltung hat. Was ist mit Potsdam? Einige Fotos erzählen von den Erfolgen, doch die Zukunft des Tanzplans Potsdam ist unsicher.
20.00 Uhr (Miriam): Kulinarische Lebensaspekte. Nach zwei ereignisreichen Stunden, in denen man sich nicht über alle Tanzplan-Städte eingehend informieren konnte – ich denke schmerzlich an die verpassten Filme „Mind your Stepp“ und „Enactement der nächsten Generation“, begeben wir uns mit all den anderen vielen geladenen Menschen zum Abendessen. Zwei Studios füllen wir und sitzen an hoch geschraubten Bühnenteilen statt an Tischen. Bühnenreif ist nun auch das Essen. Nur zum Teil geschnittenes Brot türmt sich vor uns auf, umgeben von frischem Salbei und Meersalz, großen Stücken Käse, Olivenöl in Ampullen und ganzen Schweinekeulen. Teilen, kommunizieren, selbst aktiv und kreativ werden, scheint das Motto zu sein!
22.30 Uhr (Anna): Mit vollem Bauch noch einen Toast? Nun ja, natürlich wollen wir das hören und begeben uns in den anderen Raum. Jetzt wird’s irgendwie ernst mit dem Abschied. Noch einmal sieht man sich um, erkennt Freunde, Kollegen oder fühlt sich einfach nur wohl in der Tanzplangemeinde. Zwei Mädels haben die Tanzfläche schon lange eröffnet und doch bleiben die Zuschauer erst in der Überzahl. Noch ein Gespräch, ein Wein und dann geht’s los. Wie anders soll man denn auch sonst ein Fest wie dieses beenden. Seite an Seite tanzend mit den Leuten, deren Bücher wir seit Jahren lesen, endet Tanzplan in Berlin.
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