Roberto Scafatis „Warten auf...“ in Ulm

Das kann noch dauern, bis es sich zu sehen lohnt

Ulm, 19/01/2010

Elf Tänzer sitzen im Kreis um das sechseckige „Podium“, die Experimentierbühne des Theaters Ulm. Roberto Scafati kam nach Engagements in Neapel und Rom nach Deutschland, war von 1994 bis 2003 Solotänzer am Ulmer Ballett und bis 2008 dessen Proben- und Übungsleiter. Nach heftigen Querelen um seinen Vorgänger hat er vor einem Jahr die Ballettdirektion übernommen. Mit „Warten auf ...“ stellt der Italiener, der seit 1995 regelmäßig choreografiert, jetzt die zweite Choreografie für sein eigenes Ensemble vor.

Das Warten zog sich in die Länge. Als es schließlich begann, offenbarten sich schnell Licht und Schatten, wie sie die ganze Vorstellung durchziehen. Assoziative Texte des Dramaturgen Matthias Kaiser setzen Zäsuren zwischen etwa einem halben Dutzend Tanzsequenzen. Diese Stücktexte, von denen der Programmzettel Ausschnitte zitiert, liefern – bei gedanklichen und stilistischen Schwächen in Einzelheiten originell – in ihrer dem alltäglichen Moment verhafteten Spontaneität keine durchgängige Linie für das Ganze. Ein Beispiel: „Noch 179 Tage. Plus-Minus. Man sieht noch gar nichts. – Ab jetzt nur noch Mozart und Müsli?! – Kein Vernacchio mehr und den Bassregler auf Null tackern? – Na toll!“

Die Rückseite des Sechsecks, bis zu dessen anderen fünf Kanten die Zuschauer ganz nahe sitzen, zeigt ein großes Tor mit Tür. Zwei Soli – das des männlichen Tänzers ausdrucksvoll mit schöner Weite in den Extensionen, oft in Alltagbewegungen zurückgenommen – und ein anschließendes weibliches Duo enden damit, dass die Tänzerinnen vergeblich versuchen, aus der Tür hinauszukommen. Doch bald schon zeigt sich in der Tanzausführung ein restringierter Code, von dessen Geschichte sich wenig erschließt. Bleiben wir auf der anfänglichen Spur, müsste es sich um den Tanz von Spermien oder Embryonen im Unterleib handeln, vom rivalisierenden Wachstum der Zellen und ihrer Zusammenballung. Das würde auch zu den Passagen passen, in denen die Bewegungen zu wummernder Musik wie psychedelisch verlangsamt wirken. Nimmt man den Verzicht auf klare Lesbarkeit in Kauf, sieht man aber immer wieder interessante Gruppierungen, Paare in polarisierender Spannung, musikalisch schön fließende Soli und reizvoll wechselnde Formationen.

Roberto Scafati bietet mit „Warten auf...“ durchaus Ansätze zu einer originellen Inszenierung, die dramaturgisch und tänzerisch allerdings noch zu sehr im Entwicklungsstadium steckt, als dass sie reif wäre, für das Publikum wie eine süße Frucht zu sein. Seine moderne Tanzsprache vereinigt viele interessante Elemente, Einzelheiten waren gut getanzt. Weitere Lichtblicke: Humor ist auch im Spiel, und Scafati hat seine Tänzer alle elf mit vollem Engagement dabei.

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