Weit mehr als eine Verlegenheitsarbeit

„Out of Context - for Pina“ bei den Wiener Festwochen

Wien, 09/06/2010

Was passiert, wenn Menschen ihre Schutzhüllen ablegen? In "Out of Context - for Pina" suchen der belgische Choreograf und Regisseur Alain Platel und die famosen neun Performerinnen und Performer von les ballets C de la B Antworten auf existenzielle Fragen.

Zum ersten Mal gastieren sie bei den Wiener Festwochen in der Halle G im MuseumsQuartier und überzeugen mit einer Durchdringung von Choreografie und Inszenierung in einem 90-minütigen Stück, das keine Handlung hat und dennoch viel zu erzählen weiß: Eine Reminiszenz an das Tanztheater der im Sommer 2009 verstorbenen Choreografin Pina Bausch, zugleich aber auch ein Stück mit einer ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte.

Ursprünglich war im Auftrag von Gerard Mortier als designiertem Direktor der New York City Opera ein Abend zu Verdi-Musik geplant. Nach Mortiers Rückzug aus New York wurde dieser auf 2011 und Madrid verschoben. Für sein bereits engagiertes Ensemble schuf Platel nun ein Stück "Out of Context". Der Titel ist Programm und weit mehr als eine Verlegenheitsarbeit.

Zunächst betreten die Darsteller vom Zuschauerraum aus die Bühne und legen die Kleidung bis auf die Wäsche ab. Rote Decken dienen als Verstecke und sorgen zugleich für visuelle Effekte. Zu Tierlauten sehen die Menschen wie eine Herde aus, in der es zu Annäherungen einzelner Mitglieder kommt. Der soziale Impetus spielt dabei eine große Rolle.

Platel erfindet für jedes seiner Stücke choreografische Leitmotive, diesmal ausgehend von tierischen Bewegungen wie dem Ausschlagen von Pferden oder dem Nachahmungstrieb mancher Vögel.

Zu Takten von Klaviermusik Bachs und zum schlichten Sounddesign von Sam Serruys werden die Decken abgelegt und die Gesten immer menschlicher, wobei Aufbau und Zerstörung nahe aneinanderrücken. Oberflächliches bekommt damit einen unvermuteten Tiefgang.

In einer harmonischen Scheinwelt greift Platel mit viel Sinn für Theatralik schließlich dekorative wie sinnlose Bewegungen zu Discosound auf und gestaltet einen chaotisch-amüsanten Mikrokosmos, in dem sich Individualisten austoben.

Platel legt mit dieser Flucht vor der Wirklichkeit seine Finger in viele Wunden unserer Zeit. Am Ende überwiegt der Glaube an die Humanität durch menschliche Zuneigung, bevor sich die Performer wieder unter das Publikum mischen.

Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

 

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