Wuchtiger Auftakt mit Lisbeth Gruwez‘ Solo „Birth of Prey“

25 Jahre Theater im Pumpenhaus Münster mit „Statements“

Münster, 22/04/2010

„Statements. Das Festival. Der Tanz. Das Theater. 25 Jahre Theater im Pumpenhaus“ steht unten auf der Vorderseite des grünen Faltblatts zu der Deutschen Erstaufführung von Lisbeth Gruwez‘ Solo „Birth of Prey“ (Geburt der Beute) in Münster. So wuchtig wie der selbstbewusst lakonische Jubiläumstitel geht die Reihe der Tanzperformances zur Sache.

Als hätte die irische Vulkanaschewolke sich in dem hundertjährigen urigen Industriegebäude an der Peripherie zur City der altehrwürdigen westfälischen Domstadt verfangen, wabert dichter, bräunlicher Nebel im Bühnenraum. Irgendwo dahinter scheint ein Lichtspot vom Himmel zu fallen. Urplötzlich durchschneidet ein Trommelschlag ohrenbetäubend die beklemmend atemlose Stille. Gegenüber kreischt die E-Guitarre auf. Schemenhaft ist im Hintergrund Bewegung auszumachen – eine Raupe, ein Fleischklumpen? Mal menschlicher Rücken, mal Fratze, mal Kriechtier, mal gerupfte, gestutzte Federviehflügel – dann schwarz verhüllte menschliche Gliedmaßen, ein schwarzer Lockenkopf, ein Gesicht.

Die Beleuchtung spielt den Zuschauern die unheimlichsten Phantasmagorien eines Etwas zwischen Mensch und Tier, Torso und Diva vor. Szenen schierer Körperlichkeit - unglaublich gereckt, gekrümmt, gedehnt - wechseln mit sinnlichen Momentaufnahmen, die Man Ray alle Ehre machen würden. Hier ist der Lichtdesigner Koen Raes Zauberer faszinierender Ästhetik am Rande optischer Täuschung zwischen Illusion und Wirklichkeit. Harsche Motorik enervierend monotoner Schlagzeug- und Guitarrensequenzen umzingeln das Wesen wie ein Käfiggitter, wenn es plötzlich zur majestätischen, nervös tändelnden Wildkatze auf der Suche nach Beute wird. Blitzartig zeigt sich das Opfer, geriert sich als Rockröhre, vereint sich mit den beiden Musikern (Maarten Van Cauwenberghe und Dave Schroyen) zum schrillen Punkkonzert – brüllt ins Mikrophon Fetzen, die am Ende der Show als bizarrer Todesgesang verstehbar werden: „I wanna be loved by you….“ Ein Beifallsorkan setzt danach wie ein Befreiungsschlag ein – für die beiden Musiker, die Technik und ganz besonders für Lisbeth Gruwez, die sich spätestens mit dieser zweiten eigenen Choreografie von ihrem früheren Meister Jan Fabre (er choreografierte für sie „Quando L’uomo…“ und „Je suis sang“) emanzipiert.

Ein perfekter Auftakt, ideal für dieses Ambiente, dem die NRW-Landesregierung gerade sozusagen den Ritterschlag verlieh als westfälisches Pendant zu den Tanzhäusern in Düsseldorf und Essen (PACT Zollverein), mit denen es seit Jahren koproduziert. Die Kulturpolitiker genehmigten eine Finanzspritze von 80 000 € p.a. für die nächsten drei Jahre, je hälftig für die Tanz- und Theatergastspiele. Weitere „Statements“ von Pumpenhaus-Geschäftsführer Ludger Schnieder, des international agierenden Tanz- und Theatermanagers, zu seinem Tanzkonzept sind u.a. Auftritte von Helena Waldmann (Berlin), Samir Akika (Essen), Rosas (Brüssel), Daniel Léveillé (Montréal) und Ko Murobushi (Tokio).

www.pumpenhaus.de

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